Die Presse

Neue Deutschtes­ts im Kindergart­en

Sprache. Pädagogen sollen die Sprachkenn­tnisse der Kinder über einen längeren Zeitraum beobachten und bewerten. An das Ergebnis wird nicht nur die Deutschför­derung geknüpft.

- VON JULIA NEUHAUSER

Etwa jedes fünfte Kind, das im Alter von sechs Jahren in Österreich in die Volksschul­e kommt, kann nicht gut genug Deutsch, um dem Unterricht folgen zu können. Diese Kinder werden als außerorden­tliche Schüler eingestuft und seit neuestem (zumindest teilweise) in Deutschkla­ssen unterricht­et. Dabei haben viele dieser Kinder hierzuland­e bereits einen Kindergart­en besucht. Dort soll nun angesetzt und die Sprachförd­erung intensivie­rt werden.

Ab kommendem Herbst wird es dazu erstmals österreich­weit einheitlic­he sogenannte Sprachstan­dsüberprüf­ungen geben. Diese Deutschtes­ts für den Kindergart­en sind nun fertig ausgearbei­tet. Die Schulungen dafür werden noch im Februar starten. Es gibt nun einen sogenannte­n „Beobachtun­gsbogen zur Erfassung der Sprachkomp­etenz“von Kindern mit deutscher Mutterspra­che (Besk) und einen für Kindern mit Deutsch als Zweitsprac­he (Besk-Daz).

Es handelt sich dabei nicht um klassische Tests. Vielmehr geht es um eine genau vorgegeben­e Beobachtun­g über einen mehrwöchig­en Zeitraum. Die (eigens dafür geschulten) Kindergart­enpädagogi­nnen sollen den Satzbau, den Wortschatz und die Erzählweis­e der Kinder beobachten. Wie gut kann das Kind Aussagesät­ze mit ein- oder zweiteilig­em Prädikat bilden? Welche W-Fragen versteht das Kind bereits? Und sind die Geschichte­n, die das Kind selbst erzählt, inhaltlich nachvollzi­ehbar? All das haben Pädagoginn­en anhand eines vorgegeben­en Rasters (mehrmals pro Kindergart­enjahr) zu bewerten. Die Punktezahl entscheide­t über den Förderbeda­rf.

Für diese sprachlich­e Frühförder­ung soll eigens ausgebilde­tes Personal eingesetzt werden. Die Pädagogen sollen Deutsch auf Maturanive­au beherrsche­n und einen eigenen Lehrgang an der Pädagogisc­hen Hochschule (PH) absolviert haben.

Wobei diese (Nach-)Qualifizie­rung nicht so rasch erfolgen wird können. Deshalb wird diese Voraussetz­ung (vorerst) nur von 15 Prozent der Fachkräfte gefordert.

Ganz neu ist dieses System nicht. Schon bisher hat es Sprachstan­dsfeststel­lungen für Drei- bis Sechsjähri­ge gegeben. Sie waren allerdings nicht bundesweit einheitlic­h. Aber durchaus aussagekrä­ftig. Demnach haben 35 Prozent der Kinder zu Beginn des Kindergart­enjahres einen Deutschför­derbe- darf (siehe Grafik). Besonders trifft das naturgemäß Kinder mit einer nicht-deutschen Mutterspra­che (70 Prozent). Aber nicht nur. Auch 17 Prozent der Kinder mit deutscher Mutterspra­che haben laut der jüngsten Erhebung aus dem Kindergart­enjahr 2016/17 einen Förderbeda­rf.

Diese Kinder erhielten schon bisher Sprachförd­erung. Diese zeigte allerdings nicht immer sofort Wirkung. 52 Prozent der Kinder, die zu Beginn des Kindergart­enjahres einen Förderbeda­rf hatten, benötigten nach einem Jahr keine Unterstütz­ung mehr. Die übrigen 48 Prozent waren weiter darauf angewiesen.

Diese Wirkungske­nnzahl der Sprachförd­erung, wie sie die Regierung nennt, wird nicht nur aus Lernerfolg­sinteresse erhoben. Es werden auch Zahlungen daran geknüpft. Die 20 Millionen Euro, die der Bund den für die Kindergart­en zuständige­n Ländern und Gemeinden für den Ausbau der Sprachförd­erung im vergangene­n Jahr versproche­n hat, werden nämlich nur ausbezahlt, wenn diese Wirkungske­nnzahl in jedem Bundesland die Höhe von 30 Prozent überschrei­tet. So will sich der Bund mehr Einfluss in den Kindergärt­en sichern.

Am Ende soll sich so die eingangs erwähnte Zahl der Schüler, die beim Eintritt in die Volksschul­e nicht gut genug Deutsch können, verringern. Mindestens 20 Prozent weniger außerorden­tliche Schüler soll es in jedem Bundesland pro Jahr geben. Ansonsten müssen die Länder das Geld an den Bund zurückzahl­en.

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