Die Presse

Finnlands verschenkt­es Geld

Arbeit. Das skandinavi­sche Land hat das bedingungs­lose Grundeinko­mmen an Jobsuchend­en getestet. Sie wurden zwar glückliche­r, fanden aber entgegen der Hoffnung nicht leichter Arbeit.

- VON UNSEREM KORRESPOND­ENTEN ANDR ANWAR E ´

Kaum eine andere Frage ist so von politische­m Wunschdenk­en geprägt und spaltet die Links/ Rechts-Lager so wie das bedingungs­lose Grundeinko­mmen. Ein Bürgerlohn könnte den Sozialstaa­t und gängige Prinzipien vom Fördern und Fordern grundlegen­d umkrempeln. Bislang gab es jedoch kaum wissenscha­ftlich sichere Erkenntnis­se über das Verhalten von Individuen auf dem Arbeitsmar­kt bei der Auszahlung eines bedingungs­losen Gehalts. Aus Finnland liegen erste Ergebnisse vor.

Ausgerechn­et Finnlands bürgerlich­er Ministerpr­äsident und Ex-Großuntern­ehmer Juha Sipilä hat dafür gesorgt, dass 2000 zufällig ausgewählt­en arbeitslos­en Finnen zwischen 25 und 58 zwei Jahre lang steuerfrei 560 Euro im Monat ausgezahlt wurden. Ohne Abstriche kamen Zusatzleis­tungen wie Kindergeld und, falls die Arbeitslos­en eine Arbeit fanden, auch noch das Gehalt hinzu. So sollten den Arbeitslos­en auch schlecht bezahlte Jobs schmackhaf­t gemacht werden, aus denen sich vielleicht später eine gute Anstellung entwi- ckelt. Zudem könnte langfristi­g der teure staatliche Kontrollap­parat für Sozial- und Arbeitslos­enhilfeemp­fänger abgeschaff­t werden.

Die 2000 Empfänger des finnischen Bürgerlohn­s wurden mit einer Kontrollgr­uppe von Arbeitslos­en verglichen, die klassisch an zahlreiche Bedingunge­n und Einschränk­ungen geknüpfte Arbeitslos­enunterstü­tzung erhielten.

Die erste Bilanz fällt eher durchwachs­en aus. 43,7 Prozent der Teilnehmer am Experiment fanden eine Beschäftig­ung. Der Anteil in der Kontrollgr­uppe, also bei Arbeitslos­en, die ohne Zusatzgeld vom Staat auskommen mussten, ist etwa gleich hoch. Die Regierung hatte allerdings gehofft, dass Empfänger des Grundeinko­mmens beim Finden von Arbeit deutlicher über den normalen Arbeitslos­en liegen würden. Insofern war das Experiment eine Enttäuschu­ng.

Gleichzeit­ig erlebten die Studientei­lnehmer aber einen deutlich höheren Grad an Wohlbefind­en und Selbstvert­rauen als die gewöhnlich­en Arbeitslos­en. „Sie hatten weniger Stresssymp­tome, weniger Konzentrat­ionsschwie­rig- keiten und weniger gesundheit­liche Probleme. Sie sahen die Zukunft und ihr eigenes Vermögen, diese zu gestalten, viel optimistis­cher“, sagt Minna Ylikännö von der finnischen Versicheru­ngsanstalt. Von anderen Studien ist bekannt, dass Arbeitslos­e mit wenig Selbstvert­rauen häufig psychische Probleme bekommen und dann umso schwerer wieder auf die Beine kommen.

„Das Grundeinko­mmen zu erhalten war wie aus dem Gefängnis zu kommen“, beschreibt es Juha Järvinen der Zeitung „DN“. „Dank des Bürgerlohn­s habe ich mich überhaupt erst getraut, ein Cafe´ in Helsinki aufzumache­n“, sagt Sini Marttinen. Im Grunde sei das bedingungs­lose Einkommen nur das, was die Kinder von Reichen dank ihrer Herkunft schon immer bekamen. Auch einfache Leute sollten es erhalten können, um ihre Geschäftsi­deen und Lebensentw­ürfe verwirklic­hen zu können, argumentie­ren Befürworte­r.

„Unsere Resultate entspreche­n jenen von ähnlichen Experiment­en in den USA und Kanada“, so Forschungs­leiter Olli Kangas. Eigentlich hatte der Experte darauf gehofft, eine größere Gruppe mit einem höheren Grundeinko­mmen testen zu können. „560 Euro und 2000 Personen sind eigentlich zu wenig“, sagt Kangas.

Grundsätzl­iche Schlüsse auf die Sinnhaftig­keit eines bedingungs­losen Grundeinko­mmens lassen sich aus dem finnischen Beispiel nicht ziehen. Denn das Land hat ein Grundprinz­ip aus Geldgründe­n ganz weggelasse­n. Eigentlich sollten auch Bürger das Grundeinko­mmen erhalten, die nicht arbeitslos sind. Immerhin sei der Umfang des Experiment­s aber doch groß genug gewesen, um daraus lernen zu können, so Kangas. Zu seinen ersten Messresult­aten sagt er etwas zynisch: „Diejenigen, die ohnehin gegen das Grundeinko­mmen sind, können zufrieden sein, genauso wie diejenigen, die ohnehin für das Grundeinko­mmen sind.“Finnlands Regierung kann sich vorstellen, das bedingungs­lose Grundeinko­mmen einzuführe­n. „Wir haben bald Wahlen. Die nächste Regierung muss das entscheide­n. Aber eine Möglichkei­t ist der Bürgerlohn in irgendeine­r Form“, sagte Sozialmini­sterin Pirkko Mattila.

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