Chaotisches Wirrwarr auf dem Depot
Wertpapierportfolio. Möglichst viele Titel auf dem Depot zu haben, bedeutet nicht automatisch, dass eine umfassende Streuung vorliegt. Sind alle Papiere aus der gleichen Region oder vom gleichen Emittenten, liegt ein Klumpenrisiko vor.
Nicht alles auf ein Pferd setzen – das ist ein Ratschlag, den die meisten Kleinanleger durchaus beherzigen. Sie halten deshalb mehrere Wertpapierpositionen. Jahr für Jahr kommen neue hinzu. Das Problem dabei: Meistens sind sie aus einer Lieblingsbranche oder einer Region, aus der man ohnehin schon viele Positionen hat. Und so lässt man alte Positionen wachsen, bis sie überdimensional viel Gewicht haben und damit ein hohes Risiko darstellen. Andere lässt man schrumpfen, bis sie so klein sind, dass sie kaum noch zur Diversifikation beitragen können.
Zu einem ähnlichen Urteil kommt Schoellerbank-Experte Stefan Kerschbaumer in dem jüngsten Analysebrief der Privatbank. Bei der alljährlichen Depotanalyse haben Anleger oft nur die historische Wertentwicklung einzelner Positionen betrachtet und in weiterer Folge punktuell investiert, stellt er fest. Sie kaufen etwa einen weiteren Technologiewert oder eine österreichische Aktie, obwohl sie eigentlich schon mehrere ähnliche Titel haben. Die Folge: Trotz einer steigenden Zahl von Wertpapierpositionen bleibt das Risiko hoch und die Diversifikation gering.
Das zeigen auch BloombergDaten: So korreliert etwa die OMVAktie stark mit anderen Ölwerten wie der französischen Total. Das bedeutet, dass die beiden Aktien tendenziell im Gleichschritt steigen und fallen. Wesentlich geringer ist der Gleichlauf etwa mit Ap- ple. Aber auch mit dem österreichischen Anlagenbauer Andritz korreliert die OMV nur mittelmäßig. Gar nicht im Gleichklang bewegt sie sich mit Goldminenaktien wie Newmont Mining.
Kerschbaumer rät Anlegern, bei jedem potenziellen Wertpapierkauf – neben anderen Kriterien – auch zu überlegen, ob das Papier ins Depot passt und ob es eine sinnvolle Ergänzung darstellt. Zwar spreche nichts dagegen, Branchen, von denen man viel hält, überzugewichten. Viele Anleger würden aber nicht bewusst entscheiden, einer bestimmten Branche, etwa Technologie, ein hohes Gewicht einzuräumen, sondern es sei ihnen im Lauf der Jahre passiert.
„Eine sehr hohe Gewichtung einzelner Titel birgt das Risiko eines höheren Verlusts. Die gleichmäßigere Aufteilung auf mehrere Wertpapiere hilft, dieses Risiko zu vermindern“, schreibt Kerschbaumer. Positionen, die weit weniger als ein Prozent ausmachen, haben hinge- gen auch bei sehr hohen Kurssteigerungen kaum das Potenzial, die Gesamtperformance wesentlich zu verbessern. Mitunter liegen auf millionenschweren Depots Aktienpositionen, die der Inhaber vor Jahren einmal erworben hat und die inzwischen gefallen sind und nur noch ein paar Hundert Euro ausmachen. Solche untergewichteten Wertpapiere bewirken lediglich, dass man einen besonders langen Depotauszug hat. Wenn man sie verkaufe oder zu größeren Positionen zusammenfasse, gewinne man mehr Übersicht, ohne die Diversifikation zu gefährden. Freilich: Auch hier kann eine sinnvolle Strategie dahinterstecken: So könnte jemand etwa einen Teil seines Vermögens in Ölaktien investieren. Da er sich aber nicht auf ein Unternehmen festlegen will, streut er den dafür vorgesehenen Anteil auf mehrere Ölunternehmen. Die einzelnen Positionen wären dann entsprechend klein. Oft ist es aber keine Strategie gewesen, die dazu geführt hat, dass man viele Kleinstpositionen auf dem Depot hat, sondern Zufall. Doch wie viele Wertpapiere sind eigentlich zu viele? Pauschal könne man das nicht sagen, meint Kerschbaumer, aber 100 Aktienpositionen sind wohl zu viel. Ab 50 Einzeltiteln könne man sich die Frage stellen, ob eine weitere Position tatsächlich noch einen positiven Streuungseffekt bringe oder nicht. Bei Fonds sei diese Grenze geringer und liege etwa bei 30. Andererseits gibt es auch eine Mindestanzahl, um gut diversifiziert zu sein. Ab zehn Werten bei Fonds oder 20 Werten bei Einzeltiteln sei das
grundsätzlich der Fall – sofern man damit nicht Klumpenrisiken angehäuft hat. Das wären etwa mehrere Anleihen eines Emittenten oder mehrere Aktien aus Österreich. Home Bias heißt die Tendenz, Investitionen aus dem Heimatmarkt überproportional hoch zu gewichten. Grund ist, dass Anleger glauben, über Unternehmen aus dem eigenen Land besser informiert zu sein. Das ist aber in Zeiten globalisierter Informationsflüsse lediglich ein Wunschgedanke. Auch investieren viele Anleger bevorzugt in Branchen, in denen sie sich auszukennen glauben. Das sei grundsätzlich keine schlechte Idee, könne aber ebenfalls zu Ungleichgewichten führen.
Anfällig für Klumpenrisiken seien vielfach Anleger, die Depots bei mehreren Banken haben, berichtet Kerschbaumer. Auf dem einen Depot liegt etwa ein auf Europa spezialisierter Aktienfonds oder ein Zertifikat auf den Euro Stoxx 50, auf dem anderen ein paar europäische Einzelwerte. Auch hier sollte man die Frage stellen, ob das sinnvoll ist oder nur aus Gewohnheit beibehalten wird.
Zudem ist es ratsam, unterschiedliche Wertpapiere zu halten, also neben Aktien etwa auch Anleihen. Eine zu hohe Aktienquote sei aber selten das Problem typischer Kleinanleger, erzählt Kerschbaumer. Beim Bankhaus Krentschker empfiehlt man, die einmal gewählte strategische Ausrichtung des Portfolios (etwa 50 Prozent Aktien, 50 Prozent Anleihen – Werte, die je nach persönlicher Situation variieren können) diszipliniert beizubehalten. So vermeide man typische psychologische Fallen wie das rasche Kaufen bei steigenden Kursen und das Verkaufen bei fallenden Kursen.