Der Weg an die Börse ist eine Ochsentour
IPO. Anleger sehen beim Börsengang eines Unternehmens immer nur den letzten Schritt. Bis es auf dem Parkett landet, muss es jedoch einen aufwendigen Hürdenlauf zurücklegen. Wir haben ihn uns im Detail angesehen.
Als Marinomed-Boss Andreas Grassauer am Freitag vor einer Woche endlich die Glocke in die Hand nahm und traditionell den Börsengang seines Biopharmaunternehmens in Wien einläutete, war die Erleichterung den vielen Helfern ins Gesicht geschrieben. „Wir haben 18 Monate auf diesen Zeitpunkt hingearbeitet und viele schlaflose Nächte hinter uns“, beschrieb Aufsichtsratschef Simon Nebel die Vorbereitung eines Going Public oder IPO, wie man den Börsengang auf Englisch nennt.
In der Tat zählt ein solcher mit zu den einschneidendsten strategischen Weichenstellungen für ein Unternehmen – abgesehen vielleicht von einer Aufspaltung oder einer Fusion. Da erscheinen 18 Monate gar nicht so lange, gilt es doch viele Anforderungen zu meistern und Hürden zu nehmen.
„Die Presse“hat sich – auch aus Anlass des ersten IPO (Initial Public Offering) dieses Jahres im Wiener Prime Market – einmal genauer angesehen, wie der Weg dorthin eigentlich aussieht. Warum will ein Unternehmen überhaupt an die Börse? Die Antwort ist einfach: Wegen des Geldes. Mit der Ausgabe von Aktien fließen dem Unternehmen finanzielle Mittel zu, die in erster Linie in Wachstum und Expansion gesteckt werden. Aber auch die eigene Kapitaldecke lässt sich so auffetten. Schon weniger Anklang finden Firmen, die mit dem Emissionserlös in erster Linie ihre Schulden reduzieren. Legitim ist freilich auch das. Dass sich mit einer Notierung auch die internationale Bekanntheit und die Attraktivität für Mitarbeiter erhöht, ist ein „Nebeneffekt“, der nicht zu unterschätzen ist. Allerdings muss ein Unternehmen auch bereit sein, sich zu „öffnen“– Transparenz ist Voraussetzung für ein Listing.
Ist einmal der Entschluss zum Börsengang gefasst, stellt sich zuallererst die Frage, ob das Unternehmen überhaupt schon börsenreif ist. Ein satter Gewinn ist noch nicht alles – gerade in der Tech- und Start-up-Szene wagen auch defizitäre Firmen den Schritt. Ein Blick auf die Branche und die Wettbe- werber, ein Vergleich mit bereits gelisteten Konkurrenten sowie eine detaillierte Analyse der Stärken und Schwächen sollten Teil des „Reifetests“sein. Dabei sollte sich schon eine grobe Schätzung des Firmenwerts ergeben, was wiederum Rückschlüsse auf den Geldzufluss durch das IPO ermöglicht.
Lassen sich diese Punkte von dem im Unternehmen installierten Projektteam positiv beantworten, gilt es, die Fühler in Richtung Banken auszustrecken. Denn ohne sie geht nichts, sie sind es, die die Märkte einstimmen, die Analysten auf einen neuen Marktteilnehmer aufmerksam machen, vor allem aber den Börsenprospekt erstellen – kurz die Equity Story kreieren, die Investoren anlocken soll. Neben den Banken, die in einem Beauty Contest ausgewählt werden, gehören Wirtschaftsprüfer, Anwälte und PR-Fachleute zum IPO-Team.
Die Due Diligence – eine Prüfung des Unternehmens auf alle Potenziale und Risiken – bildet dann zusammen mit dem Businessplan die Basis für den Börsenprospekt. Dieses meist mehrere Hundert Seiten dicke Konvolut bildet die Voraussetzung für den Zulassungsantrag an der ausgewählten Börse. Ist sie erfolgt, beginnen die Banken, für den Börsenneuling zu werben. Ein auf Finanzmärkte spezialisierter PR-Profi schadet da nicht, denn meist ist der IPO-Kandidat in der Szene unbekannt und hat auch keine Erfahrung mit Analysten und Finanzjournalisten.
Mit den Roadshows und dem folgenden Bookbuilding beginnt die „heiße“Phase: Dabei versuchen die Banken, institutionelle Investoren für die Aktie zu interessieren. Aus der Nachfrage ergibt sich die Preisspanne, innerhalb derer der Ausgabekurs festgelegt wird. Das ist ein heikler Moment, denn die Nachfrage ist – wie man bei vielen (auch abgesagten) IPOs gesehen hat – nicht allein maßgeblich. Die Performance der Märkte an sich spielt auch eine Rolle.
In der darauf folgenden Zeichnungsfrist werden die Aktien angeboten, wobei bei einer Überzeichnung (Welche Firma hofft nicht darauf?) aus einem Reservepool (Greenshoe) weitere Aktien ver- kauft werden können. Dann wird der endgültige Emissionspreis festgelegt und im Prospekt nachgetragen – und dann geht es los.
Der Weg auf das Börsenparkett ist freilich nicht nur sehr arbeitsintensiv, er kostet auch eine Stange Geld. „Fünf bis sieben Prozent des Emissionsvolumens“, heißt es dazu an der Wiener Börse. Wobei der größte Brocken auf die Investmentbank und den Finanzberater entfällt, die ja den Großteil der Vorbereitung leisten. Die effektiven Gebühren des Listings bewegen sich in Wien zwischen 5000 und 50.000 Euro – abhängig von der Marktkapitalisierung. Jährlich fallen dann 5000 bis 10.000 Euro an. Ein einfaches Listing wie im neuen „Direct Market Plus“koste deutlich weniger.
Für den Börsennewcomer geht die Arbeit weiter: Auf regelmäßigen Roadshows müssen der Vorstand und der inzwischen bestellte Investor Relations Manager das Unternehmen bei neuen Investoren und Analysten präsentieren, denn gerade Letztere können mit ihren Analysen den Kurs beeinflussen. Kurspflege nennt man das.