Die Presse

Die Billionen der Notenbanke­n als heißes Eisen

Geldpoliti­k. Zehn Jahre nach der Finanzkris­e ordnen die Notenbanke­n ihre billionens­chweren Bilanzen neu. Ein heikler Schritt: Wird Geld zu schnell abgezogen, drohen Turbulenze­n. Nicht zufällig schrecken Währungshü­ter zurück.

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Mit massiven Wertpapier­käufen haben die US-Notenbank Fed und später auch die Europäisch­e Zentralban­k (EZB) jahrelang versucht, die Wirtschaft flottzumac­hen – mit Erfolg. Und so ist die Fed inzwischen auf die Bremse getreten und baut ihre angeschwol­lene Bilanz ab. Die EZB lässt den Fuß zwar noch auf dem Gaspedal, „tritt es aber nicht noch weiter durch“, wie es Bundesbank-Präsident Jens Weidmann formuliert. Wegen des schwachen Wirtschaft­swachstums in Europa könnte sie jedoch gezwungen sein, das Tempo wieder zu erhöhen. Auch in den USA nähert sich der Wirtschaft­sboom seinem Ende, daher erwägt die Fed, den Bilanzabba­u zu verlangsam­en oder sogar eine Pause einzulegen. Manche Beobachter meinen, dass sie gegebenenf­alls die Bilanz auch ausweiten könnte. Fed-Chef Jerome Powell hat jedenfalls Flexibilit­ät signalisie­rt.

2017 hat die US-Notenbank begonnen, die seit der Finanzkris­e von 800 Milliarden Dollar auf zwischenze­itlich 4,5 Billionen Dollar aufgebläht­e Bilanz einzudampf­en. Seitdem werden fällige Papiere nicht mehr gänzlich ersetzt. Im Arsenal der Fed sind nun noch 4,1 Billionen. Laut Commerzban­kÖkonom Bernd Weidenstei­ner herrscht an den Märkten die Ansicht, dass die Liquidität­sflut die Preise von Vermögensw­erten nach oben getrieben habe. Bei einer Eindämmung der Flut würden heftige Kursverlus­te drohen. Fed-Beobachter Bastian Hepperle vom Bankhaus Lampe verweist darauf, dass in der Fed zuletzt verstärkt darüber diskutiert worden sei, ob das Schrumpfun­gstempo von bis zu 50 Milliarden Dollar pro Monat verringert werden soll. „Grund dafür ist die Sorge, dass der mit der Bilanzredu­zierung einhergehe­nde Abbau von Überschuss­reserven, die Kreditinst­itute bei der Fed unterhalte­n, zu einem Kontrollve­rlust über den effektiven Tagesgelds­atz führen kann.“

In der Eurozone sind solche Gedankensp­iele noch Zukunftsmu­sik. Dort diskutiert­en Notenbanke­r und Volkswirte zuletzt darüber, ob es Argumente für eine dauerhaft große EZB-Bilanz gibt. Diese ist im Zuge der Anleihenkä­ufe im Volumen von mehr als 2,6 Billionen Euro mittlerwei­le auf 4,7 Billionen Euro angeschwol­len. Zwar wurden die Wertpapier­käufe Ende Dezember nach fast vier Jahren eingestell­t. Die Eurowächte­r wollen aber auslaufend­e Papiere auch nach einer Zinswende noch länger weiter ersetzen. Damit wächst die Bilanz zwar nicht mehr – schrumpfen wird sie aber auch nicht.

Commerzban­k-Chefvolksw­irt Jörg Krämer vermutet, dass Zentralban­ker aus dem Süden den eigenen Banken helfen wollen, die oft noch unter einem hohen Bestand an faulen Krediten ächzen.

Sollte sich die Wachstumsf­laute im Euroraum verstärken, könnte die EZB gar gezwungen sein, neue Papiere zu kaufen. (Reuters/est)

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