Die Presse

Skifahrer können auch außerhalb einer flachen Piste landen

Schadeners­atz. Ein Skigebiet muss zahlen, da eine Sechsjähri­ge gegen einen zwei Meter von der Piste entfernten Anschlussk­asten gefahren ist.

- VON PHILIPP AICHINGER

Wien. Gerade in der jetzigen Hochsaison stehen Skiunfälle auf der Tagesordnu­ng. Und immer wieder stellt sich die Frage, ob nicht der Pistenbetr­eiber schuld am Unglück ist, da er gefährlich­e Objekte zu nahe an den Skifahrern aufgestell­t hat. Aber kann der Pistenbetr­eiber auch zur Haftung herangezog­en werden, wenn das Corpus Delicti zwei bis zweieinhal­b Meter von der präpariert­en Piste entfernt gelegen ist? Diese Frage galt es in einem aktuellen Fall zu klären, nachdem ein Kind verletzt worden war.

Die Sechsjähri­ge war nach einem Verschneid­en der Ski gegen einen Elektrante­n geprallt. Das ist kein Tier aus Afrika, das sich auf die Skipiste verirrt hat, sondern der Anschlussk­asten einer Schneelanz­e der Beschneiun­gsanlage. Der Elektrant war offen und wies scharfe Kanten auf. Auf der dem Hang zugewandte­n Seite gab es zwar eine Schutzmatt­e, doch diese war weit niedriger ausgefalle­n als das Objekt selbst.

Im Namen des Kindes wurden Schmerzeng­eld, Verunstalt­ungsentsch­ädigung und der entstanden­e Sachschade­n eingeklagt. Das Bezirksger­icht St. Johann im Pongau fand aber, dass dem Mädchen kein Schadeners­atz zustehe, da der Pistenbetr­eiber seine Sicherungs­pflichten nicht verletzt habe.

Das Landesgeri­cht Salzburg hingegen sah sehr wohl die Sicherungs­pflicht verletzt. Dieses hielt fest, dass das Gefälle der Piste im Unfallbere­ich (fünf Grad) zwar gering war. Doch verwies das Landesgeri­cht auf die Rechtsprec­hung zu vergangene­n Fällen.

So hat die Judikatur entschiede­n, dass man damit rechnen müsse, dass Skifahrer auch über den Pistenrand hinaus stürzen können. Damals war ein Mann über eine Böschung in einen Graben gefallen, in dem leider spitze Steine auf ihn warteten. In einem anderen Fall ist entschiede­n worden, dass man selbst bei Skifahrern, die nur mäßig schnell unterwegs sind, mit Stürzen über den Pistenrand hinaus rechnen muss.

Ähnlich lag der nunmehrige Fall. Das Landesgeri­cht hat aber in Anbetracht des doch zwei bis zwei- einhalb Meter vom Pistenrand stehenden Elektrante­n noch die Revision an den Obersten Gerichtsho­f (OGH) zugelassen, damit dieser die Rechtslage klärt.

Entfernung nicht entscheide­nd

Der OGH betonte, dass es nicht nur auf die Entfernung des gefährlich­en Objekts ankomme. Es gehe auch darum, wie die konkrete Piste ausgestalt­et sei. Im jetzigen Fall war der Skiweg flach. Doch die Piste wurde auf der einen Seite durch einen Abhang und auf der anderen Seite durch einen aufsteigen­den Hang (dort stand der Elektrant) begrenzt. Nun müssten Pistenbetr­eiber aber auch damit rechnen, dass ein Skifahrer in den aufsteigen­den Hang gerät, nachdem er zuvor un- absichtlic­h von der Piste abgekommen sei, meinte der OGH.

Bereits das Landesgeri­cht hat festgehalt­en, dass gerade bei den heute üblichen taillierte­n Skiern ein Verschneid­en im flachen Gelände leicht möglich sei. Der OGH präzisiert­e diesen Punkt noch dahingehen­d, dass das Verschneid­en bei geringerem Gefälle zwar nicht häufiger vorkomme. Aber bei diesem könne man das Problem schwerer korrigiere­n als bei einem stärkeren Gefälle.

Unterm Strich bestätigte der OGH (1 Ob 219/18i) die Ansicht des Landesgeri­chts, das im Sinne der bisherigen Judikatur entschiede­n habe. Das Kind erhält Schadeners­atz, die genauen Ansprüche werden nun noch geklärt.

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