OGH lässt Liebe zu Hecke nicht gelten
Schadenersatz. Eine Frau in Kärnten schnitt den Sichtschutz ihrer Nachbarin radikal zurück. Sie muss diese nun entschädigen, allerdings nicht für den Liebhaberwert.
Hecken, zumal solche von Nachbarn, mögen für viele Hausbesitzer Hassobjekte sein; als Liebesobjekte kommen sie jedoch nicht in Betracht. Jedenfalls nicht in einem auch rechtlich abgesicherten Sinn: Das zeigt sich anhand eines Streits zweier Nachbarinnen im Raum Klagenfurt, in dem der Oberste Gerichtshof (OGH) jetzt in letzter Instanz entschieden hat, aber noch nicht das letzte Wort gesprochen ist.
22 Meter lang und sieben Meter hoch: So stand sie da, die Hecke an der Grenze zwischen den beiden Grundstücken. Die Eigentümerin der Pflanzen legte auf den aus 17 Haselnuss-, sieben Ahornund zwei Ligustersträuchern sowie einer Hainbuche gebildeten Sichtund Lärmschutz großen Wert, wohingegen er ihrer Nachbarin zunehmend missfiel. So sehr, dass diese sich im Frühjahr 2016 zu einer radikalen Maßnahme entschloss: Sie schnitt die bei der Nachbarin verwurzelten Gewächse auf zwei bis zweieinhalb Meter zurück – auf der kompletten Länge, obwohl es ihr vertraglich nur über die Breite ihrer Terrasse von knapp sechs Metern gestattet worden war. Die Frau, die auch Äste von bis zu zwölf Zentimeter Durchmesser absägte, führte als Grund Gefahr im Verzug an: durch einen bedrohlichen Überhang, auf dem sich Eis und Nassschnee gebildet hätten.
Die Eigentümerin der Hecke wehrte sich nicht mit Schere und Säge, sondern mit juristischen Mitteln: Sie klagte auf Schadenersatz. 10.000 Euro wollte sie anfangs bekommen, wobei sie sowohl Kosten der Wiederherstellung als auch einen Wertersatz für die gekappten zwei Drittel der Hecke verlangte: Die Nachbarin habe grob fahrlässig bzw. vorsätzlich gehandelt – es war gar von Mutwillen und Schadenfreude die Rede –, also habe sie, die Klägerin, Anspruch auf Ausgleich jeglichen Nachteils.
Das Bezirksgericht Klagenfurt ging davon aus, dass die Hecke durch geeignete gärtnerische Maßnahmen wieder in den ursprünglichen Stand versetzt werden könnte. Dieses billigte dem Opfer des „Wütens“(© Klägerin) nur 3000 Euro für die Beiziehung eines Fachmanns und 300 Euro für die Beseitigung des Grünschnitts zu.
Dazu muss man wissen, dass die Hecke nach nur neun Monaten wieder auf knapp fünf Meter angewachsen war, nach 18 Monaten auf sechs. Und wenn sie regelmäßig fachgerecht konisch beschnitten, gedüngt und gewässert wird, dann ist damit zu rechnen, dass die Hecke schon heuer im Herbst wieder in ihrer alten Pracht stehen wird. Nur wenn Schnittstellen und Wunden im Gehölz faulen oder von Pilz befallen würden, wäre die Regeneration beeinträchtigt.
Die Klägerin war trotzdem nicht zufrieden und legte Berufung ein. Sie bestand auf den Ersatz ihres ideellen Schadens, hatte sie doch schon in erster Instanz auf den besonderen Wert hingewiesen, den die Hecke für sie gehabt hätte. Damit war der Wert der besonderen Vorliebe, auch Liebhaberwert oder Affektionsinteresse genannt, angesprochen. Den haben Schädiger bei Mutwillen oder Schadenfreude zu ersetzen (§ 1331 ABGB). Das Landesgericht Klagenfurt lehnte dies jedoch ab, da die betroffene Sache nicht untergegangen war und eine besondere Vorliebe an den einzelnen nicht mehr nachwachsenden Ästen nicht nachvollziehbar sei.
Auch der OGH ließ die Frau punkto Liebhaberwert abblitzen. Aus zwei Gründen: Zum einen sei die erforderliche enge Gefühlsbeziehung zur pflegeleichten Hecke nicht ersichtlich, zumal deren Funktion als Sicht- und Lärmschutz im Vordergrund stand. Zum anderen stehe Geschädigten für den bloß vorübergehenden Verlust des Gebrauchs kein Ersatz zu (1 Ob 163/18d). Der Gerichtshof verwies auf eine frühere Entscheidung (3 Ob 218/61), in der nicht einmal dem Eigentümer einer mutwillig beschädigten Heiligenstatue aus Holz eine Entschädigung nach § 1331 ABGB zuerkannt worden war: Der Kopf der Statue war abgesägt worden, konnte aber wieder angesetzt werden.
Die Klägerin bekommt also keinen Wert der besonderen Vorliebe zugesprochen. Der OGH verweist die Angelegenheit trotzdem wieder zurück an das Bezirksgericht: Die Möglichkeit, einen gleichwertigen Zustand herzustellen, und die Frage nach einem etwaigen Pilz- oder Fäulnisbefall und dessen Folgen sind noch zu klären. Denn dadurch könnte sich der materielle Ersatzanspruch noch erhöhen.