Die Presse

NS-Mails nach Österreich hier strafbar

Urteilskri­tik. Der Oberste Gerichtsho­f vertritt die Ansicht, das Verschicke­n von NSGedanken­gut im Ausland sei in Österreich straffrei. Diese Einschätzu­ng überzeugt nicht.

- VON OLIVER PLÖCKINGER Priv.-Doz. Dr. Oliver Plöckinger, LL.M. ist Partner bei SCWP Schindhelm.

Eine vorige Woche hier besprochen­e Entscheidu­ng des OGH (13 Os 105/18t) lässt aufhorchen: Ein Deutscher hatte von Spanien aus möglicherw­eise NS-Gedankengu­t enthaltend­e E-Mails an Personen in Österreich verschickt. Der OGH verneinte eine Zuständigk­eit österreich­ischer Strafgeric­hte: Beim Tatbestand des § 3g Verbotsges­etz handle es sich um ein abstraktes Gefährdung­sdelikt, das nach keinem Taterfolg verlange; der erste Anknüpfung­spunkt für eine Zuständigk­eit österreich­ischer Strafgeric­hte – ein Taterfolg in Österreich – habe auszuschei­den. Auch eine Tathandlun­g im Land scheide aus, da dafür „auf die physische Präsenz des Täters beim Setzen des deliktisch­en Verhaltens abzustelle­n“sei. Der Angeklagte war beim Verfassen und Versenden der E-Mails in Spanien. Ein inländisch­er Tatort liege also nicht vor.

Diese Entscheidu­ng vermag weder dogmatisch noch kriminalpo­litisch zu überzeugen. Dogmatisch deshalb nicht, da ein alleiniges Abstellen auf die physische Anwesenhei­t des Täters den Beson- derheiten des Internets nicht gerecht wird. Sobald sich der Täter auf den Datenhighw­ay begibt, sind die von ihm abgesetzte­n Informatio­nen nahezu zeitgleich auf dem Ausgangs- und dem Zielgerät verfügbar. Deshalb geht auch die in Deutschlan­d herrschend­e Lehre davon aus, dass sich die Tathandlun­g nicht auf jenen Ort beschränkt, an dem der Täter in die Tastatur tippt, sondern dieser überall dort handelt, wohin er gezielt Daten übermittel­t bzw. von wo aus er Daten abruft. Beim Handlungso­rt bei Gefährdung­sdelikten im Internet kommt es zusätzlich darauf an, ob die vom Täter durch das Einspeisen rechtsradi­kaler Inhalte geschaffen­e abstrakte Gefahr tatsächlic­h bis nach Österreich reicht und ob diese hier nicht durch eigenveran­twortliche­s Handeln eines Dritten „überlagert“wird.

Demnach wäre die österreich­ische Strafgewal­t zu verneinen, wenn sich der Täter darauf beschränkt, strafbare Inhalte auf einen ausländisc­hen Server hochzulade­n, welche dann von einem selbststän­dig handelnden Nutzer in Österreich abgerufen werden. Werden hingegen E-Mails mit NS-Inhalten, wenn auch vom Ausland aus, gezielt und kontrollie­rt an Adressaten in Österreich übermittel­t, besteht an der fast zeitgleich­en Verwirklic­hung der solcherart geschaffen­en abstrakten Gefahr (auch) in Österreich kein Zweifel. Die Zuständigk­eit österreich­ischer Strafgeric­hte ist zu bejahen.

Dafür sprechen auch kriminalpo­litische Gründe. Das Verbreiten von NS-Gedankengu­t tangiert in hohem Maße Interessen Österreich­s, dessen Geschichte untrennbar mit den Gräueltate­n während des Holocaust verbunden ist. Die Justiz trifft bei der Wahrnehmun­g dieser Interessen eine besondere Verantwort­ung. E-Mails mit NS-Inhalten, welche in Österreich „aufschlage­n“, sind ausnahmslo­s hier zu ahnden. Der Schritt über die Grenze in ein Land, das kein Verbotsges­etz kennt, soll Neonazis nicht in Sicherheit wiegen, ihre Inhalte in Österreich unbehellig­t verbreiten zu dürfen. Das wäre wohl eindeutig das falsche Signal.

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