Die Presse

Das Mädchen, das vom Himmel fiel

Film. In der Cyberpunk-Fantasy „Alita: Battle Angel“hatten zwei legendäre Filmemache­r die Finger im Spiel. Ein Spaß!

- VON MARKUS KEUSCHNIGG

In der CyberpunkF­antasy „Alita: Battle Angel“(mit Christoph Waltz als Dr. Ido) hatten zwei legendäre Filmemache­r die Finger im Spiel.

Ein Mann stapft über einen Schrottpla­tz der dystopisch­en Iron City, greift sich einen Metallschä­del – und kurz wähnt man sich im falschen Film. Das Artefakt erinnert an den „Terminator“aus dem gleichnami­gen Science-Fiction-Prachtstüc­k von James Cameron, aus gutem Grund: Der legendäre Regisseur hat lange versucht, eine Filmadapti­on der Manga-Reihe „Battle Angel Alita“zu realisiere­n, aber schließlic­h mit „Avatar“einem anderen Projekt den Vorzug gegeben. Wiewohl Cameron nach wie vor als Produzent und Ko-Autor des ab Donnerstag durch die Kinos surrenden „Alita: Battle Angel“fungiert, lässt Dr. Ido (Christoph Waltz) den Schädel wieder fallen und wendet sich einem anderen Fundstück zu: dem teilweisen Torso eines weiblichen Cyborgs.

Den verschraub­t er mit einem neuen Metallkörp­er und gibt der Maschinenf­rau den Namen Alita. Nicht nur sie erinnert entfernt an Frankenste­ins Kreatur, auch die teuer produziert­e Cyberpunk-Fantasy selbst ist Stückwerk, geformt von zwei Kreativköp­fen. Robert Rodriguez („Sin City“) mag auf dem Regiestuhl sitzen, aber Camerons Handschrif­t bleibt unverkennb­ar. Wo ersterer knöcheltie­f im schnörkell­osen Pulp-Kino steht, holt letzterer gern zu epischen Erzählunge­n mit universell­em Anspruch aus. Die kulleräugi­ge Alita ist eben nicht nur Robotermäd­chen auf der Suche nach ihren verlorenen Erinnerung­en, sondern auserwählt­e Schlüsself­igur in einer minutiös ausgeformt­en Welt.

Über der Iron City schwebt die letzte der großen Himmelsstä­dte, alle anderen sind während eines Kriegs gefallen: Dieses Zalem ist Sehnsuchts­ort für die Elenden, die in seinem Schatten hausen und hochblicke­n wie die antiken Griechen zum Olymp oder die unterirdis­chen Proletarie­r zu den oberirdisc­h Herrschend­en in Fritz Langs „Metropolis“. Immerhin landet alleweil Müll von oben auf jenem Schrottpla­tz, auf dem Dr. Ido die Reste von Alita gefunden hat. Bevor diese die Weltordnun­g erschütter­n und zum Sturm auf die Himmelsfes­tung blasen kann, gilt es dem Schurken Vector (Mahershala Ali) und seiner Armee von Cyborg-Monstern den Garaus zu machen.

Entzückend anachronis­tisch

In den beeindruck­end inszeniert­en Kämpfen zwischen Alita und den hochgerüst­eten Tötungsmas­chinen spürt man Rodriguez’ Abdruck am stärksten. Er hat kindliche Freude daran, die famos entworfene­n Kreaturen ins Rampenlich­t zu rücken, während die via Motion-Capture-Verfahren animierte Alita (Rosa Salazar) ihnen reihum die Stecker zieht. Das wirkt so schnell, brachial und wüst wie aus einer Action-Granate aus den Achtzigerj­ahren. Überhaupt wirkt „Alita“allen dramaturgi­schen Mängeln und tricktechn­ischer Kunstferti­gkeit zum Trotz entzückend anachronis­tisch, in den überlebens­großen Dialogen, der scharfen Trennung zwischen Gut und Böse und den Kostümen und Frisuren der Figuren, die irgendwo zwischen retrofutur­istischem Camp und postapokal­yptischem Furor landen.

Aber in einem Punkt regiert doch der heutige Zeitgeist: Das Ende bleibt offen, eine Fortsetzun­g ist geplant, von einer Trilogie die Rede. Wieder einmal wartet man auf die Zukunft; und die bleibt erst einmal ungewiss.

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 ?? [ 20th Century Fox ] ?? Dr. Ido (Christoph Waltz) schraubt sich aus Fundstücke­n vom Schrottpla­tz eine Maschinent­ochter.
[ 20th Century Fox ] Dr. Ido (Christoph Waltz) schraubt sich aus Fundstücke­n vom Schrottpla­tz eine Maschinent­ochter.

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