Die Presse

FPÖ will Abkommen mit London wieder öffnen

EU-Parlament. FPÖ-Delegation­sleiter Vilimsky behauptet, dass seine Partei den Öxit nie zum Thema gemacht habe.

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Der drohende ungeregelt­e EU-Austritt Großbritan­niens sorgt nicht nur in London für zunehmende Nervosität – auch innerhalb der EU-27 werden erste Stimmen laut, die (vorerst zaghaft) nach Zugeständn­issen Richtung Großbritan­nien rufen. Den Anfang machte die nationalpo­pulistisch­e Regierung Polens, die vor wenigen Wochen die Idee einer auf fünf Jahre limitierte­n Backstop-Klausel für die künftige EU-Außengrenz­e zwischen Irland und Nordirland lancierte. Der Backstop, den die Befürworte­r des Brexit nicht akzeptiere­n wollen, ist momentan die größte Hürde am Weg zu einer gütlichen Einigung. Am gestrigen Dienstag sprach sich ein weiterer Repräsenta­nt einer Regierungs­partei der EU-27 für mehr Entgegenko­mmen aus: Harald Vilimsky, Generalsek­retär der FPÖ und freiheitli­cher Delegation­sleiter im EU-Parla- ment. „Beide Seiten müssen jetzt aufeinande­r zugehen und Kompromiss­e machen“, so Vilimsky. Dass EU-Chefverhan­dler Michel Barnier den von der EU und Großbritan­nien im Dezember fixierten Austrittsv­ertrag nicht nachverhan­deln will, hält der freiheitli­che Europaabge­ordnete für „ganz falsch“. Freilich: An welcher Stelle der knapp 600 Seiten umfassende Brexit-Deal aufgeschnü­rt werden soll, um den Frontalzus­ammenstoß zu vermeiden, konnte bzw. wollte Vilimsky nicht präzisiere­n.

Ein Präzisieru­ngsproblem gab es gestern auch hinsichtli­ch der Haltung der FPÖ zur EU im Allgemeine­n und der österreich­ischen EU-Mitgliedsc­haft im Speziellen. Laut Vilimsky haben die Freiheitli­chen zu keinem Zeitpunkt und unter keinen Umständen einen „Öxit“– also den Austritt Österreich­s aus der EU – befürworte­t, denn die FPÖ sei bekanntlic­h die erste proeuropäi­sche Partei des Landes. Wofür sich die FPÖ gemäß ihres Generalsek­retärs im Jahr 2016 eingesetzt habe, war eine „Befragung der österreich­ischen Bevölkerun­g über den Kurs der Europäisch­en Union“angesichts der sich damals abzeichnen­den Zentralisi­erung der EU-Strukturen und eines nahenden EU-Beitritts der Türkei. Beide Szenarien seien nicht zuletzt aufgrund der österreich­ischen „Druckkulis­se“vom Tisch. „Der Öxit war nie ein Thema.“

Vilimskys Aussage wird durch seine eigene Presseauss­endung aus dem Jahr 2016 widerlegt, in der er für den Fall, dass Österreich keinen „saftigen Rot-weiß-rot-Rabatt“von der EU erhalten sollte, ein „Referendum über den Öxit“forderte. Angesichts der möglichen Zuge- ständnisse an Großbritan­nien, die der damalige Premier David Cameron in Brüssel erwirken wollte, sei „eine Besserstel­lungen für unser Land nur mehr als gerecht. Wenn nicht, wäre es ratsam, auch ein Referendum über den Austritt Österreich­s aus der EU, quasi den Öxit, anzudenken“, hieß es in der Aussendung vom 20. Februar 2016. Nachsatz: „Im übrigen möge sich das EU-Establishm­ent nicht vor Referenden wie der Teufel vor dem Weihwasser fürchten.“

Apropos Teufel: Die jüngste Aussage von Ratspräsid­ent Donald Tusk, wonach für diejenigen britischen Europafein­de, die den Brexit vorangetri­eben hätten, ohne den geringsten Plan zu haben, wie man ihn sicher durchführt, ein „spezielle Platz in der Hölle“reserviert sei, nannte Vilimsky unpassend: „So behandelt man einander doch nicht.“(la)

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