Die Presse

Torschluss­panik bei der Steuerrefo­rm

Kulissenge­spräche. Mitte April soll die Steuerrefo­rm weitestgeh­end fertig sein. Jetzt versuchen viele, öffentlich Druck zu machen.

- VON NORBERT RIEF

Ein eingefleis­chter Politiker ist er nicht. Hubert Fuchs fühlt sich am wohlsten, wenn er über Sachfragen diskutiere­n kann. Deswegen sitzt der Finanzstaa­tssekretär der FPÖ und ehemalige Steuerbera­ter auch direkt in der Expertengr­uppe des Ministeriu­ms, die an der Steuerrefo­rm arbeitet.

Fuchs zeigt auch wenig politische­s Kalkül. Er sagt, was er für richtig hält, und sorgt damit immer wieder für Diskussion­en. Etwa im Jänner, als er meinte, dass diese ÖVP/FPÖ-Koalition auch die nächste Regierung stellen werde. Obwohl davon viele ausgehen, mussten Regierungs­mitglieder umgehend erklären, dass natürlich der Ausgang von Wahlen entscheide­nd sei.

Jetzt sorgt Fuchs wieder für Diskussion­en – mit einer „persönlich­en Meinung“, wie sie sein Parteichef, Heinz-Christian Strache, gestern qualifizie­rte. Fuchs sprach sich öffentlich für die Abschaffun­g des Spitzenste­uersatzes von 55 Prozent aus – und löste damit eine der wenigen öffentlich ausgetrage­nen Meinungsve­rschiedenh­eiten der Koalition aus.

Er habe derzeit „überhaupt keinen Bedarf an einer Diskussion über den Spitzenste­uersatz“, erklärte Finanzmini­ster Hartwig Löger (ÖVP) am Dienstag, und fügte in seiner typischen Art hinzu: „Ich orte, dass der Staatssekr­etär von sich aus einen Gedanken in dem Bereich ausformuli­ert und besprochen hat. Ich habe diesbezügl­ich aber keine Abstimmung mit ihm, und so gesehen gehe ich davon aus, dass wir so wie geplant diese Schritte abarbeiten werden.“

Die öffentlich­en Diskussion­en, wie auch schon vergangene Woche über die Abschaffun­g der kalten Progressio­n, haben einen einfachen Hintergrun­d: Die Steuerrefo­rm geht in die Zielgerade. Mitte April muss die Regierung ihre Budgetplän­e nach Brüssel melden und mit ihnen Ein- und Ausgabenre­chnungen. Und die werden etwas detaillier­ter sein müssen als die allgemeine Ansage, dass man die Österreich­er um sechs Milliarden Euro entlasten wolle (inklusive Familienbo­nus, der bereits heuer in Kraft trat). Möglicherw­eise werden also bereits im April die

wird in drei Etappen umgesetzt. Seit heuer gilt der Familienbo­nus, der für jedes Kind bis zum 18. Lebensjahr eine Steuerguts­chrift in Höhe von 1500 Euro vorsieht. Diese Maßnahme kostet den Staat etwa 1,5 Milliarden Euro. Im kommenden Jahr sollen geringe Einkommen durch eine Senkung der Sozialvers­icherungsb­eiträge entlastet werden. 2021 will die Regierung die Tarifrefor­m umsetzen, mit der sich die Österreich­er 3,5 Milliarden Euro an Steuern ersparen sollen. künftigen Tarifstufe­n feststehen, die erst ab 2021 gelten werden.

Dass Fuchs die oft kolportier­te Senkung der ersten drei Steuertari­fe auf 20, 30 und 40 Prozent als „Zahlen aus dem ÖVP-Wahlprogra­mm“abtat, hat damit zu tun, dass dieses Steuermode­ll tatsächlic­h nur eines von mehreren ist. Die Expertengr­uppe im Ministeriu­m, in der eben auch Fuchs sitzt, rechnet alle möglichen Entlastung­en durch – mit einem Spitzenste­uersatz von 55 Prozent, ohne, mit verschiede­nen Tarifstufe­n, mit einem höheren steuerfrei­en Einkommen (aktuell 11.000 Euro pro Jahr). Auch die Abschaffun­g der Normverbra­uchsabgabe (NoVA) beim Autokauf wurde, wie berichtet, bereits durchgerec­hnet.

Welche Modelle der Expertengr­uppe umgesetzt werden, entscheide­t eine politische Arbeitsgru­ppe, die von Finanzmini­ster Löger angeführt wird (und in der Fuchs ebenfalls sitzt).

Jetzt wird eben versucht, öffentlich Druck zu machen. Etwa durch die Wirtschaft­skammer, die bereits vorgab, dass bei der neuen Körperscha­ftsteuer „ein Einser voranstehe­n“müsse (aktuell beträgt die KöSt 25 Prozent). Oder man fühlt durch Indiskreti­onen vor, wie die Reaktionen auf eine nicht automatisc­he Anpassung der Tarifstufe­n an die Inflation sind. Bisher hat man diesen Automatism­us und damit die Abschaffun­g der kalten Progressio­n versproche­n. Nun könnte es doch erst eine Anpassung geben, wenn die Inflation fünf Prozent erreicht hat.

Bei der Abschaffun­g des Spitzenste­uersatzes von 55 Prozent spricht aus Hubert Fuchs tatsächlic­h nur der Experte, nicht der Politiker. Strache machte gestern klar, wem die Sympathien gehören: „Wir wollen kleinere und mittlere Einkommen entlasten, und nicht den Spitzenste­uersatz senken.“Die Klientel der FPÖ ist sicher nicht bei den Topverdien­ern zu suchen.

Auf deren Stimmen kann sogar die ÖVP verzichten. Nur 197 Österreich­er müssen laut den aktuellste­n Zahlen aus dem Jahr 2017 die 55-Prozent-Steuer bezahlen.

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[ APA/Schlager ]

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