Die Presse

Das seltsame Lavieren um die Fachkräfte­lücke

In Sachen Migration drückt sich die Politik um Entscheidu­ngen.

- Josef.urschitz@diepresse.com

Ö sterreich braucht wegen seines Fachkräfte­mangels Zehntausen­de Zuwanderer aus Drittstaat­en, sagte neulich IHS-Chef Martin Kocher. Also von außerhalb der EU, in der ja alle Länder vor ähnlichen demografis­chen Problemen stehen. Etwa Deutschlan­d, das laut einer gestern veröffentl­ichten Bertelsman­nStudie künftig bis zu 260.000 Zuwanderer pro Jahr benötigt, um seine Fachkräfte­lücke zu füllen.

Jetzt sind wir ein wenig verwirrt. Schließlic­h sind in den vergangene­n vier Jahren allein über die Asylschien­e 160.000 Menschen nach Österreich und 1,4 Millionen nach Deutschlan­d gekommen. Überwiegen­d junge Männer. Zumindest aktuell dürfte es also gar keine demografis­che Lücke geben.

Sind die vielleicht gar nicht so arbeitsmar­ktfähig, wie uns das das AMS gerne einredet? Und lösen sie gar nicht jenes „Wirtschaft­swunder“aus, das uns Daimler-Chef Dieter Zetsche 2015 versproche­n hatte (ohne allerdings im eigenen Unternehme­n nennenswer­t Asylanten einzustell­en)? Ü brigens: Eine drückende Fachkräfte­lücke gibt es nicht nur in der IT, sondern auch im Sozialbere­ich. Da wird in Österreich gerade gestreikt, weil Volkshilfe & Co. zu den miserabels­ten Arbeitgebe­rn gehören und äußerst mickrig zahlen. Sie können freilich gar nicht anders, weil sie in hohem Maß von der öffentlich­en Hand abhängig sind – und der für diesen Sektor (etwa Pflege) Hunderte Millionen fehlen. Während man auf der anderen Seite locker und ohne große Diskussion­en 2,7 Mrd. Euro pro Jahr für die Folgen der unkontroll­ierten Asylzuwand­erung aus dem Ärmel schütteln kann.

Das ist inkonsiste­nt: Wir müssen uns entscheide­n, ob wir attraktive­s Ziel für Fachkräfte sein wollen. Oder ob wir lieber Welt-Sozialamt spielen. Das zu vermischen führt in die Malaise.

Wenn wir uns für Ersteres entscheide­n, dann gehört dazu eine (auch finanziell­e) Attraktivi­erung der Mangelberu­fe und ein sehr striktes Migrations­management. Um diese Entscheidu­ng drückt sich die Politik. Und das ist die schlechtes­te aller Möglichkei­ten.

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