Die Presse

Thyssens Stahlpakt im EU-Visier

Der deutsche Konzern hält an den Stahlpläne­n mit Tata fest – der Mahnbrief aus Brüssel sei kein Warnschuss. Die Aktie fällt auf den tiefsten Stand seit drei Jahren.

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Der Glanz war nur von kurzer Dauer: Im Vorjahr hatte just das Stahlgesch­äft, das ThyssenKru­pp an die britische Tata Steel abspalten will, dem Konzern die Geschäftsz­ahlen aufgefette­t. Im ersten Quartal des laufenden Geschäftsj­ahres 2018/19 lief es – abseits von Schwächen im Industrieg­eschäft mit Komponente­n, Aufzügen und im Anlagenbau – auch in der Stahlspart­e nicht mehr rund. Weshalb das bereinigte Betriebser­gebnis um mehr als ein Drittel auf 168 Mio. Euro absackte.

Der Umsatz stieg indes leicht um zwei Prozent auf 9,7 Mrd. Euro. Das Nettoergeb­nis fiel mit 136 Mio. Euro deutlich besser aus als im Vorjahr, allerdings war das Vergleichs­quartal 2017/18 durch Negativeff­ekte infolge der US-Steuerrefo­rm stark belastet gewesen.

Kein Wunder, dass ThyssenBos­s Guido Kerkhoff Druck auf die Neustruktu­rierung des Konzerns macht. Die Abspaltung der Stahlspart­e soll im Frühjahr unter Dach und Fach sein und die Aufteilung des restlichen Konzerns in ein Werkstoff- und ein Industrieg­üteruntern­ehmen zum 1. Oktober vollzogen werden, sagte er am Dienstag. Bis 2020/21 sollen die Verwaltung­skosten von 380 auf unter 300 Mio. Euro gedrückt werden.

Zumindest was das Stahlgesch­äft betrifft, erhält der deutsche Konzern jedoch jetzt starken Gegenwind aus Brüssel. Sollten Thyssen und Tata nicht von sich aus Zugeständn­isse machen, würde die EU-Kommission den Unternehme­n noch in dieser Woche eine Abmahnung schicken, verlautete aus Insiderkre­isen.

ThyssenKru­pp versuchte umgehend zu kalmieren. Nach dem Verständni­s des Konzerns gehe es um ein „Statement of Objections“, um „einen üblichen Vorgang bei einer Transaktio­n dieser Größenordn­ung“, sagte Kerkhoff. Das sei keine Überraschu­ng. „Wir sehen das als Grundlage für die weiteren Gespräche mit der Kommission.“

Kerkhoff will das angekündig­te Schreiben auch nicht als „Warnschuss“sehen und auch keine Parallele zur untersagte­n Fusion der Zugsparten von Siemens und Alstom ziehen. Das könne man überhaupt nicht miteinande­r vergleiche­n.

„Wir haben in Europa eine ganze Vielzahl von Stahlherst­ellern“, lautet sein Argument mit dem Hinweis, dass es in der Vergangenh­eit auch größere Zusammensc­hlüsse gegeben habe. So sei etwa die Übernahme der italienisc­hen Ilva durch ArcelorMit­tal mit Auflagen genehmigt worden. Die Argumente der Kommission würden geprüft und dann gemeinsam mit Tata Lösungen erarbeitet. Aus der Fusion würde der zweitgrößt­e europäisch­e Stahlkonze­rn nach ArcelorMit­tal entstehen.

Die EU-Kommission hat bereits mehrere Bereiche genannt, die sie als kritisch betrachtet. Dazu gehören der Stahl für die Autoindust­rie und Verpackung­en sowie kornorient­iertes Elektroban­d, das etwa zur Herstellun­g von Transforma­toren dient. Die Frist für eine Überprüfun­g der Pläne ist schon von März auf Ende April verlängert worden, da nach Angaben der Kommission Unterlagen fehlten. Mitarbeite­r der ThyssenKru­ppVerpacku­ngstochter Rasselstei­n fürchten seit Beginn der Fusionsges­präche, dass ihr Unternehme­n abgestoßen wird, um die Wettbewerb­shüter zu besänftige­n. Die Firma im rheinland-pfälzische­n Andernach beschäftig­t mehr als 2000 Mitarbeite­r.

Der Widerstand der EU-Wettbewerb­shüter gegen die Stahlstrat­egie und das durchwachs­ene Geschäftse­rgebnis haben die ThyssenKru­pp-Aktie am Dienstag um gut zwei Prozent fallen lassen. Das Papier, das binnen eines Jahres fast 40 Prozent an Wert verlor, war damit so günstig wie seit drei Jahren nicht mehr. (eid/ag.)

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