Früher war alles besser
Europa League. Am Donnerstag gastiert mit Inter Mailand eine der klingendsten Adressen des Weltfußballs in Hütteldorf. Vom Glanz vergangener Tage ist bei den Italienern jedoch wenig übrig.
Es gab Zeiten, da war Italien das Mekka des Weltfußballs, versammelten sich etliche der besten Spieler zwischen Mailand und Turin. Auch der zehnjährige Herbert Prohaska träumte einst von Italien, vom Süden. Inter Mailand hatte damals, 1965, zum zweiten Mal in Folge den Europapokal der Landesmeister, also den Vorgänger der Champions League, sowie den Weltpokal gewonnen, dominierte das internationale Geschehen. „Inter und Milan, das waren meine Favoriten“, erinnert sich Österreichs Jahrhundertfußballer. Milan deshalb, weil dort Prohaskas Lieblingsspieler, Gianni Rivera, kickte. Der Italiener Rivera war ein begnadeter Mittelfeldspieler, trug 19 Jahre lang das Trikot des AC Milan, Prohaska vergötterte ihn.
Ein Jahr, nachdem Rivera seine Karriere in Mailand beendet hatte, tauchte ein gewisser Herbert Prohaska an Ort und Stelle auf. Inter Mailand hatte sich 1980 die Dienste des Austrianers gesichert, für den damals 24-Jährigen ging „ein Kindheitstraum in Erfüllung.“Zwei Saisonen lief Prohaska für Inter auf, danach eine weitere Spielzeit für AS Roma. Gefühlt ist der gebürtige Wiener ein halber Italiener, so oft wird er heute noch auf diese „drei sehr sehr schönen Jahre“angesprochen, selbst wenn sie bald drei Jahrzehnte zurückliegen.
Prohaska beschäftigt sich immer noch intensiv mit dem italienischen Fußball, dem Calcio. Die Serie-A-Ergebnisse vom Wochenende entgehen ihm nicht, die Tabelle hat er stets im Blick. Inter Mailand, seine einstige sportliche Heimat, sei nach wie vor „einer der größten Klubs der Welt, du spürst das.“Das bislang letzte Hoch erlebte Inter 2010, als es mit einer Altherrentruppe die Champions League gewann.
FC Barcelona, Real Madrid und Italiens Großklubs hatten sich in den Achtzigern und Neunzigern die Granden des Spiels aufgeteilt. Doch abgesehen von Cristiano Ronaldo, der im Sommer 33-jährig bei Juventus Turin andockte, „hat die Serie A heute keinen einzigen absoluten Topstar“, stellt Prohaska fest. Das 1995 gefällte Bosman-Urteil hatte der Liga arg zugesetzt, zahllose Stars verließen Italien gen Deutschland und England, wo die Fernsehgelder rasant stiegen, mehr Geld zu verdienen war.
Zudem verlor sich der Calcio zunehmend in Fan-Gewalt, Korruption, maroden Stadien und Zwangsabstiegen. Italien wurde von RestEuropa rasant überholt. „Juventus ist die einzige Mannschaft, die auf internationaler Ebene eine große Rolle spielen und Titel gewinnen kann“, sagt Prohaska.
Der Abomeister sei auch der einzige Serie-A-Klub, welcher der Spitze finanziell nicht aussichtslos hinterherhinke. „Alle anderen Teams in Italien sind mindestens eine Stufe unter Juve anzusiedeln.“Die Zeiten, in denen die Klubs in Händen von „großen Italienern“waren, sie sind ebenfalls vorüber.
Silvio Berlusconi war zwei Jahrzehnte Präsident des AC Mi- lan, Massimo Moratti lenkte 18 Jahre die Geschicke bei Inter, Franco Sensi zog beim AS Roma die Fäden. Sie alle haben viel Geld in „ihre“Klubs investiert, mittlerweile haben Amerikaner und Chinesen das Sagen. Für Prohaska haben Italiens Vereine „ein Stück weit ihre Seele verkauft.“Auch hier bildet Juventus mit Präsident Andrea Agnelli (Fiat-Vorstand) die Ausnahme.
Am Donnerstag (18.55 Uhr, live dazn) gastiert Inter Mailand im Sechzehntelfinale der Europa League im Hütteldorfer AllianzStadion. Es ist das Duell des Tabellenachten aus Österreich gegen den Tabellendritten aus Italien, weitere Vergleiche sind damit im Grunde nicht notwendig, die Rollen vor Anpfiff klar verteilt.
Weil Inter in den vergangenen Wochen nach vier sieglosen Spielen aber eine mittelschwere Krise begleitet hat, glaubt der Außenseiter aus Wien vehement an seine Chance, daran ändert auch der 1:0-Sieg der Mailänder am Samstag bei Parma nichts. Gewinnt Inter nicht in Hütteldorf, wird die Unruhe gewiss neu entfacht. Die Mailänder Momentaufnahme könnte Rapid in die Karten spielen. Weil die abermalige Champions-League-Qualifikation für die Nerrazzuri höchste Priorität genießt, erwartet Prohaska die Italiener nicht einmal in Bestbesetzung. „Aber es wird immer noch eine schlagkräftige Truppe auf dem Platz stehen.“
Schlüsselspieler bei Inter ist Stürmer Mauro Icardi. Der Argentinier, 25, bringt es auf einen Marktwert von 100 Millionen Euro, traf in den sechs Gruppenspielen der Königsklasse gleich vier Mal. Allerdings: Icardi wartet seit 15. Dezember beziehungsweise sieben Ligaspielen auf einen Torerfolg. „Er ist Inters einziger echter Torjäger“, meint Prohaska, der dem zuletzt in die Kritik geratenen Trainer Luciano Spalletti den Rücken stärkt. „Ich habe seinen Abgang bei Roma bedauert, dort lag er mit Vereinslegende Francesco Totti im Dauerclinch.“Spalletti sei „einer der besten Trainer.“