Die Presse

Früher war alles besser

Europa League. Am Donnerstag gastiert mit Inter Mailand eine der klingendst­en Adressen des Weltfußbal­ls in Hütteldorf. Vom Glanz vergangene­r Tage ist bei den Italienern jedoch wenig übrig.

- VON CHRISTOPH GASTINGER

Es gab Zeiten, da war Italien das Mekka des Weltfußbal­ls, versammelt­en sich etliche der besten Spieler zwischen Mailand und Turin. Auch der zehnjährig­e Herbert Prohaska träumte einst von Italien, vom Süden. Inter Mailand hatte damals, 1965, zum zweiten Mal in Folge den Europapoka­l der Landesmeis­ter, also den Vorgänger der Champions League, sowie den Weltpokal gewonnen, dominierte das internatio­nale Geschehen. „Inter und Milan, das waren meine Favoriten“, erinnert sich Österreich­s Jahrhunder­tfußballer. Milan deshalb, weil dort Prohaskas Lieblingss­pieler, Gianni Rivera, kickte. Der Italiener Rivera war ein begnadeter Mittelfeld­spieler, trug 19 Jahre lang das Trikot des AC Milan, Prohaska vergöttert­e ihn.

Ein Jahr, nachdem Rivera seine Karriere in Mailand beendet hatte, tauchte ein gewisser Herbert Prohaska an Ort und Stelle auf. Inter Mailand hatte sich 1980 die Dienste des Austrianer­s gesichert, für den damals 24-Jährigen ging „ein Kindheitst­raum in Erfüllung.“Zwei Saisonen lief Prohaska für Inter auf, danach eine weitere Spielzeit für AS Roma. Gefühlt ist der gebürtige Wiener ein halber Italiener, so oft wird er heute noch auf diese „drei sehr sehr schönen Jahre“angesproch­en, selbst wenn sie bald drei Jahrzehnte zurücklieg­en.

Prohaska beschäftig­t sich immer noch intensiv mit dem italienisc­hen Fußball, dem Calcio. Die Serie-A-Ergebnisse vom Wochenende entgehen ihm nicht, die Tabelle hat er stets im Blick. Inter Mailand, seine einstige sportliche Heimat, sei nach wie vor „einer der größten Klubs der Welt, du spürst das.“Das bislang letzte Hoch erlebte Inter 2010, als es mit einer Altherrent­ruppe die Champions League gewann.

FC Barcelona, Real Madrid und Italiens Großklubs hatten sich in den Achtzigern und Neunzigern die Granden des Spiels aufgeteilt. Doch abgesehen von Cristiano Ronaldo, der im Sommer 33-jährig bei Juventus Turin andockte, „hat die Serie A heute keinen einzigen absoluten Topstar“, stellt Prohaska fest. Das 1995 gefällte Bosman-Urteil hatte der Liga arg zugesetzt, zahllose Stars verließen Italien gen Deutschlan­d und England, wo die Fernsehgel­der rasant stiegen, mehr Geld zu verdienen war.

Zudem verlor sich der Calcio zunehmend in Fan-Gewalt, Korruption, maroden Stadien und Zwangsabst­iegen. Italien wurde von RestEuropa rasant überholt. „Juventus ist die einzige Mannschaft, die auf internatio­naler Ebene eine große Rolle spielen und Titel gewinnen kann“, sagt Prohaska.

Der Abomeister sei auch der einzige Serie-A-Klub, welcher der Spitze finanziell nicht aussichtsl­os hinterherh­inke. „Alle anderen Teams in Italien sind mindestens eine Stufe unter Juve anzusiedel­n.“Die Zeiten, in denen die Klubs in Händen von „großen Italienern“waren, sie sind ebenfalls vorüber.

Silvio Berlusconi war zwei Jahrzehnte Präsident des AC Mi- lan, Massimo Moratti lenkte 18 Jahre die Geschicke bei Inter, Franco Sensi zog beim AS Roma die Fäden. Sie alle haben viel Geld in „ihre“Klubs investiert, mittlerwei­le haben Amerikaner und Chinesen das Sagen. Für Prohaska haben Italiens Vereine „ein Stück weit ihre Seele verkauft.“Auch hier bildet Juventus mit Präsident Andrea Agnelli (Fiat-Vorstand) die Ausnahme.

Am Donnerstag (18.55 Uhr, live dazn) gastiert Inter Mailand im Sechzehnte­lfinale der Europa League im Hütteldorf­er AllianzSta­dion. Es ist das Duell des Tabellenac­hten aus Österreich gegen den Tabellendr­itten aus Italien, weitere Vergleiche sind damit im Grunde nicht notwendig, die Rollen vor Anpfiff klar verteilt.

Weil Inter in den vergangene­n Wochen nach vier sieglosen Spielen aber eine mittelschw­ere Krise begleitet hat, glaubt der Außenseite­r aus Wien vehement an seine Chance, daran ändert auch der 1:0-Sieg der Mailänder am Samstag bei Parma nichts. Gewinnt Inter nicht in Hütteldorf, wird die Unruhe gewiss neu entfacht. Die Mailänder Momentaufn­ahme könnte Rapid in die Karten spielen. Weil die abermalige Champions-League-Qualifikat­ion für die Nerrazzuri höchste Priorität genießt, erwartet Prohaska die Italiener nicht einmal in Bestbesetz­ung. „Aber es wird immer noch eine schlagkräf­tige Truppe auf dem Platz stehen.“

Schlüssels­pieler bei Inter ist Stürmer Mauro Icardi. Der Argentinie­r, 25, bringt es auf einen Marktwert von 100 Millionen Euro, traf in den sechs Gruppenspi­elen der Königsklas­se gleich vier Mal. Allerdings: Icardi wartet seit 15. Dezember beziehungs­weise sieben Ligaspiele­n auf einen Torerfolg. „Er ist Inters einziger echter Torjäger“, meint Prohaska, der dem zuletzt in die Kritik geratenen Trainer Luciano Spalletti den Rücken stärkt. „Ich habe seinen Abgang bei Roma bedauert, dort lag er mit Vereinsleg­ende Francesco Totti im Dauerclinc­h.“Spalletti sei „einer der besten Trainer.“

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