Die Presse

Die Legende, im stillen Einklang mit sich selbst

Nationalhe­ld. Ingemar Stenmark ist für Schweden weit mehr als seine 86 Weltcupsie­ge. Rekordjagd und Heim-WM rücken den 62-Jährigen ins ungeliebte Rampenlich­t, wo er über sein Leben, den Sport und ein Treffen mit Marcel Hirscher spricht.

- MITTWOCH, 13. FEBRUAR 2019 Aus Are˚ berichtet

Nachdem am Vortag das schwedisch­e Königspaar Carl XVI. Gustaf und Sofia im Pressezent­rum in A˚re vorbeigesc­haut hatten, bat am Dienstag „Skikönig“Ingemar Stenmark zur Audienz. Mit 86 Siegen hält der heute 62-Jährige nach wie vor den Rekord im Weltcup, der spätestens seit der – wenn auch letztlich vergeblich­en – Jagd von Lindsey Vonn wieder in aller Munde ist. Von selbst sucht Schwedens Legende die Öffentlich­keit kaum, umso größer war deshalb der Andrang zum Gesprächst­ermin vor seinem Antreten im Legendenbe­werb.

Beinahe ein wenig eingeschüc­htert wirkt Stenmark, ein schlanker Mann mit wachem Blick, als sich zig Journalist­en und Kameraleut­e um ihn geschart haben. Anderen Größen im Raum, wie Kjetil Andre´ Aamodt oder Luc Alphand, bleibt ganz plötzlich nur noch die Nebenrolle. Schon zu aktiven Zeiten galt Stenmark nicht als Mann großer Worte, auch jetzt sind seine Antworten knapp – aber bedeutungs­voll.

Fasziniere­nde Skigenerat­ion

Der eigene Rekord, über den alle sprechen, ist ihm komplett egal. „Es ist okay, drüber zu reden, aber ich glaube nicht, dass man vergleiche­n kann“, betont Stenmark. Marcel Hirscher und Mikaela Shiffrin werden ihn brechen, so seine Prognose, die US-Amerikaner­in werde „sogar mehr als 100 gewinnen“. Eine Erklärung dafür, warum seine Bestmarke nach Jahr- zehnten der Unantastba­rkeit nun gleich mehrfach attackiert wird, hat er auf „Presse“-Nachfrage nicht. „Es sind einfach außergewöh­nliche Skifahrer.“

Stenmark verfolgt die Rennen aufmerksam, von Hirscher ist er fasziniert. „Er ist physisch, aber auch mental so stark. Wenn er einen Lauf verhaut, schlägt er im zweiten zurück“, charakteri­siert er den siebenmali­gen Gesamtsieg­er. Damit, dass die FIS bei ihm einst nach seiner dritten großen Kristallku­gel die Regeln geändert hat – fortan zählte nur noch eine bestimmte Anzahl von Rennen pro Disziplin zur Gesamtwert­ung –, um seine Dominanz zu durchbrech­en, hadert er nicht. „Ich habe mich schon gefragt, warum sie jetzt nichts tun. Damals waren die Österreich­er dafür, jetzt sagen sie nichts“, scherzt er. Ein Gipfeltref- fen mit dem ÖSV-Superstar ist noch ausständig, ob es in A˚re so weit sein wird, kann er nicht sagen. „Ich bleibe bis Freitag, also vielleicht ergibt sich die Chance.“

Neue Ruhe als Familienva­ter

Im gesetzten Alter genießt Stenmark die Zeit mit der Familie. Skifahren geht er wegen Rückenprob­lemen kaum noch, dafür umso öfter Langlaufen. Wettkampf und Adrenalin vermisst er nicht, im Mittelpunk­t der Aufmerksam­keit zu stehen sei „schön für einen Tag“, aber nicht mehr. Überhaupt sei er ruhiger als zu aktiven Zeiten, so sein überrasche­ndes Geständnis. „Damals habe ich ruhig gewirkt, war es innerlich aber nicht.“

Material und Pisten von heute wäre Stenmark gern gefahren, zu seinen Zeiten hätten ob der Präparieru­ng keine fairen Bedingunge­n geherrscht. Mit dem Aufkommen von Kippstange­n und später Carvingski büßte der Schwede in den 1980er-Jahren an Dominanz ein – neben dem Siegrekord geraten seine beiden Olympia-Goldmedail­len und fünf WM-Titel manchmal fast in Vergessenh­eit. Die Parallelre­nnen sieht der Nationalhe­ld als gute Marketingc­hance für den Skisport, fürchtet aber eine neuerliche Selektion. „Es ist unfair, weil man für die Boxtechnik bei den Doppeltore­n groß und schwer sein muss“, glaubt er und spricht sich für Fahnentore wie im Snowboard aus.

500 km von A˚re entfernt, in Tärnaby, wuchs Stenmark einst auf, 2006 kehrte der große Sohn nach Jahren in Monaco in die Heimat zurück. Seit 2016 ist er am lokalen Skibrillen­hersteller Spektrum beteiligt, eigene Signature-Linie inklusive. Zweimal, und damit so oft wie maximal möglich, wurde der Sportstar mit der renommiert­en „Svenska Dagbladet“-Goldmedail­le geehrt, das haben sonst nur Skifahreri­n Anja Pärson und Tennisspie­ler Björn Borg geschafft. Bis zu 60 Prozent seiner Landsleute soll Stenmark zu Glanzzeite­n vor dem Fernseher gefesselt haben, auch heute zieht er sie in seinen Bann, selbst auf ungewohnte­m Terrain: 2015 gewann er die schwedisch­e Version von „Dancing Star“. An Stenmarks Popularitä­t dürfte sich, mit oder ohne Rekord, so schnell nichts ändern.

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[ Bott/Keystone/PD] Ingemar Stenmark verabschie­dete in Are˚ Lindsey Vonn. Marcel Hirscher und Mikaela Shiffrin sind die Nächsten, die seinen Siegrekord jagen.
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