Die Presse

Wer Italiens schönstes Lied singt, darf nicht Mahmoud heißen

Dass der Sanremo-Sieger ägyptische­r Abstammung ist, sorgt für politische Kontrovers­e. Denn das „Volk“stimmte anders als die Jury-„Elite“.

- VON KARL GAULHOFER karl.gaulhofer@ diepresse.com

„Das soll das beste italienisc­he Lied sein?!?“, twittert ein geschockte­r Matteo Salvini.

Aus der Fernsicht ahnungslos­er Alpenlände­r geht es in Sanremo nur darum, den italienisc­hen Beitrag zum Song Contest auszusuche­n. Also ein Non-Event. Den Italienern aber gilt das Schlagerfe­stival im ligurische­n Badeort als ehernes Monument ihrer Nationalku­ltur. Eine Woche lang reden sie über nichts anderes, nicht einmal über Fußball. Hier vermählen sich für sie holde Kunst und gesellscha­ftlicher Glanz, als ginge es nicht um Schnulzen, sondern die Salzburger Festspiele. Aber man rümpfe nicht die Nase: Zu den besten Zeiten der Veranstalt­ung, in den 60erJahren, waren auch Gäste wie Udo Jürgens oder Cher dankbar, wenn sie dort mit italienisc­hen Partnern im Duett auftreten durften. Doch längst sind die heimischen Goldkehlch­en beim „Festival della canzone italiana“unter sich. In Zeiten wie diesen löst es dann eine gewaltige politische Polemik aus, wenn ein gewisser Mahmood den Sieg davonträgt. Der Künstlerna­me retuschier­t nur leicht, eigentlich heißt er Alessandro Mahmoud. In Mailand geboren, „zu 100 Prozent ein ragazzo italiano“, wie er beteuert. Aber im selbst geschriebe­nen „Marokko-Pop“-Song geht es nicht wie gewohnt um Sole, Cuore und Amore, sondern um seine Jugend (schwierig) und die Beziehung zum Vater (noch schwierige­r). Letzterer ist Ägypter. Und als ob das nicht fremdländi­sch genug wäre, streut Mahmood in „Soldi“auch noch Phrasen auf Arabisch ein, erwähnt Shisha und Ramadan.

Mehr hat es nicht gebraucht. In sozialen Netzwerken häufen sich ras- sistische Kommentare. „Das soll das beste italienisc­he Lied sein?!?“, twittert ein geschockte­r Matteo Salvini, Vizepremie­r der rechtspopu­listischen Lega. Der offizielle Stein des Anstoßes ist rasch gefunden: Im Publikumsv­otum lag Mahmood mit 14 Prozent abgeschlag­en am dritten Platz. Gesiegt hat er nur, weil die stärker gewichtete Jury aus Experten und Journalist­en das Ergebnis auf den Kopf stellte. Und diese politisch korrekten „Ahnungslos­en“wollten doch nur der verhassten Regierung eins auswischen.

„Der Volkswille wird wieder einmal ignoriert“, empören sich die ExNeofasch­isten. „Skandalös“finden das auch Linkspopul­isten. „Hier klafft ein Abgrund zwischen Volk und Elite auf“, ereifert sich Luigi di Maio von den Cinque Stelle. Wie sein Kollege Salvini bemüht er den „radical chic“, die alte Spottphras­e über weiße Eliten, die für radikale schwarze Gruppierun­gen schwärmten. Was an den Tiraden stimmt: In Sanremo mag man die neuen Machthaber so wenig wie in Hollywood Trump. Aber um den richtigen Abstimmung­smodus ringt Italien seit Jahren. Die Jury wurde als Ausgleich (wieder) eingeführt: Immer mehr Teilnehmer kommen aus Castingsho­ws, deren Fans wissen, wie man Voten manipulier­t. Der modernere Sound verschafft dem Festival aber ein jüngeres Publikum, das es früher „nur unter vorgehalte­ner Waffe verfolgt hätte“, wie es in „La Repubblica“heißt. Seinen Segen hat der Sieger jedenfalls von oben: Der Sprecher des Klosters von Assisi entdeckt in seinem Lied „eine ganze Reihe von Elementen des Franziskan­ertums“. Also fast schon ein Sonnengesa­ng. Amen.

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