Wer Italiens schönstes Lied singt, darf nicht Mahmoud heißen
Dass der Sanremo-Sieger ägyptischer Abstammung ist, sorgt für politische Kontroverse. Denn das „Volk“stimmte anders als die Jury-„Elite“.
„Das soll das beste italienische Lied sein?!?“, twittert ein geschockter Matteo Salvini.
Aus der Fernsicht ahnungsloser Alpenländer geht es in Sanremo nur darum, den italienischen Beitrag zum Song Contest auszusuchen. Also ein Non-Event. Den Italienern aber gilt das Schlagerfestival im ligurischen Badeort als ehernes Monument ihrer Nationalkultur. Eine Woche lang reden sie über nichts anderes, nicht einmal über Fußball. Hier vermählen sich für sie holde Kunst und gesellschaftlicher Glanz, als ginge es nicht um Schnulzen, sondern die Salzburger Festspiele. Aber man rümpfe nicht die Nase: Zu den besten Zeiten der Veranstaltung, in den 60erJahren, waren auch Gäste wie Udo Jürgens oder Cher dankbar, wenn sie dort mit italienischen Partnern im Duett auftreten durften. Doch längst sind die heimischen Goldkehlchen beim „Festival della canzone italiana“unter sich. In Zeiten wie diesen löst es dann eine gewaltige politische Polemik aus, wenn ein gewisser Mahmood den Sieg davonträgt. Der Künstlername retuschiert nur leicht, eigentlich heißt er Alessandro Mahmoud. In Mailand geboren, „zu 100 Prozent ein ragazzo italiano“, wie er beteuert. Aber im selbst geschriebenen „Marokko-Pop“-Song geht es nicht wie gewohnt um Sole, Cuore und Amore, sondern um seine Jugend (schwierig) und die Beziehung zum Vater (noch schwieriger). Letzterer ist Ägypter. Und als ob das nicht fremdländisch genug wäre, streut Mahmood in „Soldi“auch noch Phrasen auf Arabisch ein, erwähnt Shisha und Ramadan.
Mehr hat es nicht gebraucht. In sozialen Netzwerken häufen sich ras- sistische Kommentare. „Das soll das beste italienische Lied sein?!?“, twittert ein geschockter Matteo Salvini, Vizepremier der rechtspopulistischen Lega. Der offizielle Stein des Anstoßes ist rasch gefunden: Im Publikumsvotum lag Mahmood mit 14 Prozent abgeschlagen am dritten Platz. Gesiegt hat er nur, weil die stärker gewichtete Jury aus Experten und Journalisten das Ergebnis auf den Kopf stellte. Und diese politisch korrekten „Ahnungslosen“wollten doch nur der verhassten Regierung eins auswischen.
„Der Volkswille wird wieder einmal ignoriert“, empören sich die ExNeofaschisten. „Skandalös“finden das auch Linkspopulisten. „Hier klafft ein Abgrund zwischen Volk und Elite auf“, ereifert sich Luigi di Maio von den Cinque Stelle. Wie sein Kollege Salvini bemüht er den „radical chic“, die alte Spottphrase über weiße Eliten, die für radikale schwarze Gruppierungen schwärmten. Was an den Tiraden stimmt: In Sanremo mag man die neuen Machthaber so wenig wie in Hollywood Trump. Aber um den richtigen Abstimmungsmodus ringt Italien seit Jahren. Die Jury wurde als Ausgleich (wieder) eingeführt: Immer mehr Teilnehmer kommen aus Castingshows, deren Fans wissen, wie man Voten manipuliert. Der modernere Sound verschafft dem Festival aber ein jüngeres Publikum, das es früher „nur unter vorgehaltener Waffe verfolgt hätte“, wie es in „La Repubblica“heißt. Seinen Segen hat der Sieger jedenfalls von oben: Der Sprecher des Klosters von Assisi entdeckt in seinem Lied „eine ganze Reihe von Elementen des Franziskanertums“. Also fast schon ein Sonnengesang. Amen.