Wer Hinkelsteine aufstellte, war wohl Seefahrer
14C- Methode zeigt: Von der Bretagne dehnten sich Megalithen rasch aus.
Dolmen, Tumuli und Hinkelsteine: Die Megalithen sind auch harte Brocken für die Wissenschaft. Hat sich diese geheimnisvolle Kultur mit ihren steinernen Zeugnissen vom Orient aus über Europa verbreitet, auf dem Meerweg? Davon waren Archäologen seit dem 19. Jahrhundert überzeugt. Aber in den 1970er-Jahren legten die ersten, noch ungenauen Altersmessungen mit der 14C- Methode eine neue Theorie nahe: Die Gräber und Kultstätten, von denen in Europa noch rund 35.000 erhalten sind, entstanden unabhängig voneinander in verschiedenen Teilen des Kontinents. Damit verbindet sich auch die Vorstellung von sehr einfachen, sesshaften Bauerngesellschaften ohne kulturellen Austausch.
Aber in der Zwischenzeit hat die Radiokarbonmethode große Fortschritte gemacht. Das Alter der Steine (oder genauer: des organischen Materials im Erdreich, in das sie eingelagert sind) lässt sich heute viel präziser bestimmen. Bettina Schulz Paulsson von der Uni Göteborg hat nun über 2400 Messdaten aus ganz Europa ausgewertet. Das Ergebnis: Im Prinzip hatten die alten Forscher eher recht. Allerdings standen die ersten Exemplare nicht im Nahen Osten, sondern in der Bretagne – der Heimat von Obelix. Nur im Norden Frankreichs gab es schon vor der Zeit der Steine monumentale Erdgräber mit bis zu 280 Metern Länge (die Passy-Gräber im Pariser Becken).
Von Sardinien bis zur Ostsee
Nach den ersten Steinbauten, etwa in Carnac, breitete sich diese „Mode“ab etwa 4800 vor Christus in drei Wellen erstaunlich schnell über Europa aus, und zwar immer in küstennahe Regionen: ins westliche Mittelmeer, an die portugiesische und spanische Atlantikküste, nach Großbritannien und Skandinavien. Tempo und Lage sprechen klar dafür, dass sich diese kulturellen Errungenschaften über den Seeweg verbreitet haben. Dann müssen aber Europas Völker im fünften und vierten vorchristlichen Jahrtausend bereits Seefahrer gewesen sein und sich rege ausgetauscht haben, was ihnen niemand zugetraut hat. „Die maritimen Fähigkeiten, das Wissen und die Technologie dieser Gesellschaften müssen viel höher entwickelt gewesen sein als bisher angenommen“, schreibt Schulz Paulsson. Damit sollte ihre Studie eine „radikale Neubewertung“auslösen, auch über die „Entstehung der Seefahrt“. (gau)