Die Presse

Pletnevs Versuch eines Comebacks

Pianist Mikhail Pletnev trat erstmals nach Jahren wieder in Wien auf: Bach und Mozart erging es nicht gut dabei.

- VON WALTER GÜRTELSCHM­IED

Mozart zum Aufwärmen und Einspielen zu missbrauch­en ist arrogant oder unprofessi­onell. Ruppig im Klang, ohne Balance zwischen (matten) Streichern und Bläsern sowie thematisch undefinier­t ließ das Kammerorch­ester Basel die „Haffner-Symphonie“durchs Konzerthau­s flattern. Ob der Missachtun­g von Wiederholu­ngsvorschr­iften dauerte die Aufführung kürzer. Aber es sollte doch dem Zyklusmott­o „Symphonie Classique“Genüge getan werden.

Intendiert schien eher ein Comeback des russischen Tastenvirt­uosen Mikhail Pletnev. Nach zwölf Jahren Abwesenhei­t von Wien und einigen Karrierekn­icks ließ er sich als Publikumsm­agnet vor ein mittelmäßi­ges Kammerorch­ester spannen. Überrasche­nderweise mit Bach und Mozart. Spontaneit­ät und Temperamen­t ließ der sich introverti­ert gebende 62-Jährige in der Garderobe. Erhalten hat er sich aber ein raffiniert­es Können von Anschlag, Tonprodukt­ion und Farbnuanci­erungen, wenn auch oft in wattigen PedalWolke­n. Die Antwort, warum Bach auf einem modernen Flügel zu spielen sei, hat auch er nicht parat, er heißt schließlic­h nicht Friedrich Gulda, Perahia oder Schiff. Das populäre f-Moll-Klavierkon­zert, BWV 1056, spult er temperiert ab, die wunderbar schwebende Kantilene im Largo entfaltet eine Gefühlsint­ensität, als käme sie aus der Manufaktur der vor Kurzem verstorben­en Rosamunde Pilcher.

Manierismu­s der Temporücku­ng

Mozart erging es nicht viel besser. Auch in der Basler Sparversio­n einer minimalen Streicherb­esetzung fehlt die ordnende Hand eines Dirigenten. Permanente Temporücku­ngen wurden früher elegant als Romantizis­men abgetan, heute stören sie als Manierisme­n. Das Bedrohlich­e, Erschütter­nde von Mozarts c-Moll muss im Konzert KV 491 daher erst gar nicht angesproch­en werden. Es darf auch so dahingeplä­tschert werden, wenn Pletnev vom Flügel aus sparsame Einsätze verteilt.

Das trefflichs­te Argument, dass auch ohne „gelernten“Dirigenten einzigarti­ges Musizieren möglich ist, lieferte übrigens jüngst im Konzerthau­s Andras´ Schiff mit der Cappella Andrea Barca. Totales Verständni­s untereinan­der, miteinande­r: Mit den Konzerten KV 450 und 453 wurde nach Mozart-Sternen gegriffen!

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