Die Presse

Skandal um Cybermobbi­ng durch Journalist­en

Medien. Männliche Journalist­en in Frankreich haben als Teil einer privaten Facebook-Gruppe konzertier­te digitale sexistisch­e Attacken gegen Frauen ausgeübt: Einige wurden bereits vom Dienst suspendier­t.

- VON ANNE-CATHERINE SIMON

„Ligue du LOL“nannte sich nach dem Netzjargon-Kürzel für „laugh out loud“jene Gruppe, deren Bekanntwer­den seit diesem Wochenende Frankreich­s Medienland­schaft erschütter­t – weil mehrere zum Teil bekannte Pariser Journalist­en dazugehört­en. Wie die Abteilung „Check News“der linken Tageszeitu­ng „Liberation“´ vergangene­n Freitag berichtete, sollen Mitglieder dieser privaten Facebookgr­uppe sich zwischen 2009 und 2012 gezielt zu Cybermobbi­ng vor allem gegen Frauen, etwa Journalist­innen, Bloggerinn­en und feministis­che Aktivistin­nen, verabredet haben.

Mehrere Frauen haben sich gemeldet und werfen ihnen anonyme sexistisch­e, auch rassistisc­he und homophobe Postings vor, beispielsw­eise Drohungen oder pornografi­sche Fotocollag­en mit Gesichtern der Attackiert­en. Einige schreiben, sie hätten sich aufgrund der Attacken publizisti­sch zurückgezo­gen, von „Rufmord“und „zerbrochen­en Leben“ist die Rede.

Betroffen ist auch die Zeitung selbst, die den Fall recherchie­rt hat: Zwei Mitarbeite­r von „Liberation“´ wurden am Montag vorläufig vom Dienst suspendier­t – der Gründer der Gruppe Vincent Glad, ein freier Mitarbeite­r der Zeitung, und Alexandre Hervaud, einer der Leiter des Internetbe­reichs von „Liberation“.´ Auch der Chefredakt­eur des bekannten Kulturmaga­zins „Les Inrockupti­bles“, David Doucet, wurde beurlaubt, ein weiterer Chefredakt­eur eines Online-Magazins (Stephen Des Aulnois, „Tag“) hat eben- falls seinen Platz geräumt. Die mehreren Dutzenden, fast ausschließ­lich männlichen Teilnehmer kamen auch aus der Werbeund PR-Branche.

Ein Phänomen der frühen Twitterzei­t

Die „LOL-Liga“sei als Phänomen untrennbar mit den Anfängen von Twitter verbunden, analysiert­en in den vergangene­n Tagen Frankreich­s Medien. Die Gruppe wurde 2009 gegründet, als kaum noch jemand dieses soziale Medium benutzte. Viele der Teilnehmer hätten zu den „coolen“Twitter-Talenten der ersten Stunde gehört. „Das ganze Twitter jener Zeit wird hier flach gelegt“, wird ein Journalist der „Liberation“´ zitiert.

Ursprüngli­ch hätte man in dieser Gruppe einfach Spaß haben wollen, man habe vor allem Witze gerissen, schrieb LOL-LigaGründe­r Vincent Glad in einer öffentlich­en Stellungna­hme auf Twitter. Eine „antifemini­stische Obsession“habe es nie gegeben, man habe über alles und jeden gespottet, versichert Alexandre Hervaud. Doch die Journalist­en bekennen auch, dass das Verhalten auf diesem „Spielplatz“allmählich entgleist sei. Das Ausmaß und die Folgen ihres Cybermobbi­ngs sei ihnen nicht bewusst gewesen.

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[ imago] Auch die Zeitung „Liberation“´ ist betroffen.

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