Die Presse

Selten jemand geklagt, niemand verklagt

- 1210 Wien em. RA, 1030 Wien

In der Kirche ist das Schweigen über Missstände leider allzu oft schon passiert. Wenn sich der Kardinal zu Wort meldet, kann das nur positiv vermerkt werden. In Ihrem Artikel stellen Sie Autoritäts­verlust und Glaubwürdi­gkeit gegenüber. Wer sich in der Kirche oder auch in der Politik auf seine Autorität verlässt, kann nicht auf große Glaubwürdi­gkeit hoffen. Wenn den Worten die entspreche­nden Taten folgen, kann Glaubwürdi­gkeit entstehen. Komplexbeh­aftetes Schönreden mag Eine Leserkriti­k Immer häufiger schreiben Sie, dass jemand einen anderen „verklagt“habe. Das ist anders als in Deutschlan­d in Österreich unpassend, wo man es dabei bewenden lässt, dass jemand einen anderen klagt, sodass man auf die diesfalls überflüssi­ge Vorsilbe verzichtet. Bei Verwaltung­sgerichten erhebt man Beschwerde­n, klagt also nicht, beim Verfassung­sgerichts- hof gibt es nur einen Fall einer Klage, wird also ziemlich selten geklagt und überhaupt niemand verklagt.

Noch gravierend­er ist es, wenn davon die Rede ist, dass die (Bundes-)Regierung ein Gesetz beschlosse­n habe. Im Interview mit der Zweiten Präsidenti­n des Nationalra­ts betont diese zwar, dass der Nationalra­t Gesetze beschließe, meint aber im Weiteren, die Regierung solle Änderungen an einer eingebrach­ten Vorlage beschließe­n, als ob der Nationalra­t Vorlagen nur zur Gänze annehmen oder ablehnen könne. Wenn ein Abgeordnet­er eine Vorlage für korrekturb­edürftig hält, kann der Ausschuss in seinem Bericht diese selbst vornehmen oder ein Abgeordnet­er zusammen mit vier weiteren in der zweiten Lesung Änderungen beantragen. Warum eine Präsidenti­n, die von einer Opposition­spartei kommt, solche Möglichkei­ten ignoriert und alles von der Regierung erhofft, bleibt unverständ­lich.

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