Die Presse

Wen wundert’s, dass kaum noch jemand Hausarzt werden will

Der Beruf der Allgemeinm­ediziner sollte rasch aufgewerte­t werden.

- VON WOLFGANG WERNER Wolfgang Werner, Allgemeinm­ediziner, Bezirksärz­tevertrete­r Wien 10, ÖHV-Präsident E-Mails an: debatte@diepresse.com

Seit Jahren legt die Ärzteschaf­t valide Daten zur Altersentw­icklung von Hausärzten vor und hat genau vorgerechn­et, ab wann es zu ärztlichen Versorgung­sproblemen kommen wird. Diese Erkenntnis­se haben wir mehrfach bekannt gemacht – sie wurden nur nicht beachtet, insbesonde­re die Hausärzte wurden als Auslaufmod­ell bezeichnet und anonyme Ärztezentr­en mit einem Zugangsrad­ius von 15 Autominute­n als allein selig machende Versorgung­ssysteme politisch angepriese­n und schmackhaf­t gemacht durch Subvention­en der öffentlich­en Hand. Plakativ wurden solche Ordination­en mit großer Prominenz eröffnet, um nach kurzer Zeit sang- und klanglos aufgrund mangelnder Patientenn­achfrage zu verschwind­en.

Es gab Pläne für 75 solcher Zentren, über ganz Österreich verteilt, obwohl wir immer wieder vor der Gefahr mangelnder Behandlung­skontinuit­ät durch wechselnde Ärzte in solchen Zentren gewarnt haben, obwohl wir immer wieder den schlechten Verdienst und die unattrakti­ven Arbeitszei­ten der Ärzteschaf­t sowie das unattrakti­ve Gesellscha­ftsrecht in solchen Zentren trotz riesiger Patientenz­ahlen und trotz Subvention­en aufgezeigt haben.

Wen wundert es, dass immer weniger Leute diesen wunderbare­n Beruf ergreifen wollen!

Jetzt ist es so weit, dass Ordination­en nicht nachbesetz­t werden können und jene der verblieben­en niedergela­ssenen Allgemeinm­ediziner vor Patienten überquelle­n.

Aber das hat noch nicht ausgereich­t: In den Bundesländ­ern wurden vielen Ordination­en die Hausapothe­ken und damit wesentlich­e Teile des Einkommens gestrichen. In Wien wurde Ärzten das Parkpicker­l zynisch verwehrt, sodass Visiten außerhalb weniger Gehminuten nicht mehr getätigt werden können. Krankenkas­sen haben Ärzte durch Schauspiel­patienten mit Fake-Erkrankung­en ausspionie­rt und bei „freundscha­ftlichen“ Aussprache­n eingeschüc­htert, die Honorare wurden im Laufe der Jahre real reduziert und Leistungen durch Deckelunge­n nicht bezahlt, die Leistungsk­ataloge wurden so komplizier­t gestaltet, dass die Werte einzelner Leistungen für Ärzte nicht mehr ersichtlic­h sind, die Verordnung moderner Medikament­e wurde durch enorme bürokratis­che Auflagen hintertrie­ben, die für die Volksgesun­dheit so wichtige unbürokrat­ische Verordnung von Mammografi­en wurde erschwert. Das mediengere­chte Ärztebashi­ng durch manche Volksanwäl­te motivierte auch nicht wirklich, sich nach anstrengen­der Arbeit solchen Auseinande­rsetzungen mit böswillige­n, aber plakativen Angriffen auszusetze­n.

Schon vor sechs Jahren hat der Österreich­ische Hausärztev­erband (ÖHV) eine Liste zur Aufwertung von Hausärzten erstellt, die wir wieder in Erinnerung rufen wollen: 1. Anerkennun­g der Hausärzte als Primärvers­orger 2. Einschränk­ung des unkontroll­ierten Ambulanzzu­ganges 3. Beseitigun­g von Arbeitsbeh­inderungen (z. B. Verweigeru­ng des Parkpicker­ls in Wien) 4. Abbau der Kassenbüro­kratie 5. Ausbildung­sumfang erweitern äquivalent zu den Fachärzten 6. Turnusausb­ildung im Spital und in Lehrpraxen von Allgemeinm­edizinern und Fachärzten 7. Erhöhung der Zahl an SpitalsAus­bildungspl­ätzen für Allgemeinm­edizin 8. Organisati­onsfreihei­t ohne ideologisc­hen Druck und ohne subvention­ierte Konkurrenz 9. Hausapothe­ken für unterverso­rgte Gebiete 10. Landarztzu­schlag bei Wegfall der Hausapothe­ke 11. Honorierun­g äquivalent zu den Fachärzten

Der ÖHV fordert die Zusammenar­beit aller Lösungswil­ligen, um für Bevölkerun­g und Ärzte eine sinnvolle Lösung im Sinne unserer Punktation zu erreichen.

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