Die Presse

Ein eigenwilli­ger Bayer auf Siegeszug

Ski-Historie. Markus Wasmeier war der bisher letzte Deutsche, der Gold bei einem Großereign­is gewann.

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Auch 25 Jahre nach seinem Doppel-Olympiasie­g von Lillehamme­r wartet Markus Wasmeier weiter auf einen deutschen GoldNachfo­lger bei einem alpinen SkiGroßere­ignis. „Über die letzten 25 Jahre habe ich mitgekrieg­t, dass es doch nicht so einfach ist, diese Medaille zu holen. Ich dachte, das passiert doch locker“, sagte der Oberbayer vor dem Jahrestag seines ersten Triumphs am 17. Februar 1994 in Norwegen. Damals hatte er den Super-G gewonnen, später im Riesentorl­auf nachgelegt.

Dass es ein Vierteljah­rhundert lang kein Deutscher schaffte, bei Weltmeiste­rschaften oder Olympia einen Sieg einzufahre­n, liegt nach Ansicht des 55-Jährigen an der extremen Leistungsd­ichte bei den Herren. „Du musst schon ein gewisser Killer sein, eine Mentalität haben, an die Grenze zu gehen“, meinte Wasmeier, der seit dem Ende seiner Karriere ein Heimatmuse­um in Schliersee führt.

Felix Neureuther hatte er am ehesten zugetraut, Gold zu gewinnen. „Der ist so ein genialer Skifahrer“, sagt Wasmeier. Auch Stefan Luitz oder Thomas Dreßen hatten gute Chancen, wurden aber durch Verletzung­en gestoppt. Luitz will trotz einer Schulterbl­essur heute in A˚re um WM-Medaillen im Riesentorl­auf fahren (14.15/17.45 Uhr, ORF eins), Neureuther ist am Sonntag im Slalom an der Reihe.

Doch von Großereign­is zu Großereign­is ohne deutschen GoldNachfo­lger wird klarer, wie außergewöh­nlich Wasmeiers Olympiasie­ge 1994 waren. Die Erinnerung an Lillehamme­r treibt ihm heute noch Tränen in die Augen, er spricht von einem „wirklichen Geschenk“. Schließlic­h hatte kaum jemand mehr mit Wasmeier gerechnet. Der eigenwilli­ge Sportler vom Schliersee schien just im Spätherbst der Karriere im Abwärtstre­nd zu sein und einmal mehr zu bestätigen, dass er bei wichtigen Events nicht abliefern kann. 1988 in Calgary fädelte er im Super-G beim ersten Tor ein, in Albertvill­e vier Jahre danach folgte der bittere vierte Platz. Und in Lillehamme­r ging Olympia mit einem ernüchtern­den 36. Rang in der Abfahrt los. „Im Deutschen Haus haben meine Familie und ich nicht einmal einen Platz bekommen. Ich kam mir vor wie ein Verbrecher“, erzählte er einmal.

Das änderte sich an dem bitterkalt­en Donnerstag­vormittag bei minus 15 Grad im Skigebiet von Kvitfjell, als er mit Startnumme­r vier im Super-G Bestzeit fuhr. Die Goldmedail­le hatte er kurz vor Rennende sicher, wollte aber partout nicht zu früh jubeln – in Albertvill­e war er auf Bronze-Kurs in der Abfahrt noch abgefangen worden. „Da war eine innere Anspannung, eine Stunde lang“, erzählt er. „Ich habe mich nicht richtig freuen können.“ Dann aber kletterte plötzlich sein Vater über die Absperrung im Zielbereic­h. „Und in dem Moment, als wir uns umarmten, ist alles weggebroch­en. Das war der Moment, in dem ich wusste: Ich hab’s!“

Mit den Gold-Erfolgen Wasmeiers dürfte 25 Jahre später kaum etwas vergleichb­ar sein. Dafür waren die Winterspie­le in Lillehamme­r für Sportler und Fans zu perfekt. Wetter, Schnee, Zigtausend­e begeistert­e Zuschauer, „ein Festival, unglaublic­h“, erinnert sich der Deutsche. Inzwischen finden die Titelkämpf­e in Russland, Korea und China statt, der Reiz an Olympia ist für Wasmeier verloren gegangen. Schade, findet er, auch, weil ihm die Winterspie­le den Weg nach der aktiven Karriere geebnet haben. In Schliersee führt er ein Freilicht-Heimatmuse­um, das er ohne Lillehamme­r nicht hätte aufbauen können. „Mit einem gemeinnütz­igen Projekt lebst du von Spenden“, erklärt der langjährig­e TV-Experte. „Und niemand spendet dir was, wenn du Huber oder Maier heißt, wohl aber als Olympiasie­ger Wasmeier.“

Das Museum hat der gelernte Restaurato­r und Kirchenmal­er ge- gen manch einen Widerstand vorangetri­eben – schon zu Sportlerze­iten war er zäh und meinungsst­ark. „Mein Vorteil war, dass ich nie in eine Schablone gepasst habe“, sagt er. Als Allrounder fand er im Deutschen Skiverband keine Trainingsm­öglichkeit­en, also trainierte er mit den Norwegern um Rekord-Olympiasie­ger Kjetil Andre´ Aamodt und Lasse Kjus. Aamodt würde ihm übrigens gleich mehrere seiner acht Olympiamed­aillen überlassen, wenn er dafür vor Heimpublik­um 1994 Gold statt einmal Silber und zweimal Bronze gewonnen hätte. „Immer am Jahrestag schau ich mir mit Freunden die Filme von damals an. Und i bin jedes Mal wieder froh, wenn i gwinn“, sagt Wasmeier. (DPA/red.)

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