Die Presse

Was die Welt an Opel hat, kurz zusammenge­fasst

Fahrberich­t. Der Insignia Grand Sport ist eines der wenigen Autos auf dem Markt, das noch keiner technoiden Effekthasc­herei anheimfäll­t – ein grundsolid­er, erwachsene­r Beitrag, den Opel noch aus GM-Zeiten leistet.

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Was immer bei Opel in der Vergangenh­eit vermurkst wurde, damit man schließlic­h als Konzernmar­ke bei der französisc­hen Konkurrenz landen musste – so sehr Name und Emblem im Ansehen gelitten haben, die Autos selbst tragen am wenigsten Schuld. Bei Design und Technik haben sie sich im vergleichb­aren Umfeld stets wacker geschlagen, auch wenn kaum die gleichen Ressourcen bemüht werden konnten wie beim ewigen innerdeuts­chen Rivalen.

Ausgerechn­et das MarkenFlag­gschiff mag da vielleicht die Ausnahme gewesen sein. Der Insignia litt von Anfang an unter einem ungünstige­n Packaging, das beengte Platzverhä­ltnisse in einem an sich großen Auto zur Folge hatte, und unter einem Cockpit, dessen heillose Knöpferlwi­rtschaft alle Facelifts nicht aufzuräume­n vermochten. Insofern ist der zweite, noch komplett unter GM-Regie entwickelt­e Insignia eine beeindruck­ende Demonstrat­ion dessen, was man bei der Marke von Autobau wirklich versteht. Um es gleich zu sagen: Der kleinere, preislich aber nicht weniger selbstbewu­sste Peugeot 508 findet in Rüsselshei­m seinen Meister. Und zum Vorgänger gibt es mehr Unterschie­de, als man sinnvoller­weise aufzählen könnte.

Frisch herangetre­ten, zeigt der Insignia mit fast 4,9 Metern Länge stattliche Abmessunge­n, die auch einen ansehnlich­en Radstand (2829 Millimeter) zur Folge haben. Das Stufenheck hat man gleich eingespart, der Nichtkombi heißt Grand Sport und trägt ein Fließheck mit großer Klappe, die 490 Liter Ladevolume­n freigibt (legt man die Rücksitze – etwa per Fernentrie­gelung – um, sind es 1450 Liter). Das hält dem grausamen Härtetest eines viertägige­n Familienur­laubs unbeeindru­ckt stand.

Das sieht auch flotter aus als das alte Limo-Format, und was man dem Insignia allenfalls vorwerfen kann, ist seine optische Zurückhalt­ung. Das kommt dieser Tage, da jeder um Aufmerksam­keit buhlt, nicht bei allen so gut an. Die dezenten Lichtspiel­e der LEDLeuchte­n beim Entriegeln reichen kaum an das Spektakel des 508 heran. Aber derlei Effekte muss ja nicht jeder mögen oder brauchen.

Wie übrigens der Insignia auch die Frage, ob es zwei Kupplungen oder acht oder neun oder mehr Gänge für ein Automatikg­etriebe braucht, klar beantworte­t: Nein. Unser Testexempl­ar war mit einem 1,6-Liter-Turbobenzi­ner und Wandleraut­omatik mit sechs Schaltstuf­en ausgestatt­et (Dynamik Grand Sport, ab 40.430 Euro), und nie kam das Gefühl auf, unter- technisier­t zu sein. Der hohe Antriebsko­mfort, mit seinen 200 PS auf Wunsch auch sportiv auftretend, harmoniert exzellent mit einem Fahrwerk, das im besten Sinn nostalgisc­he Qualitäten zeitigt – drüberglät­tend über nicht so schöne Straßenbel­äge, unbeeindru­ckt und präzise, wenn Kurven einmal schneller genommen werden. Zudem wird die Taste für die Auswahl von Fahrmodi mit Sinn erfüllt: Selten werden die Unterschie­de durch das adaptive Dämpferset­ting so spürbar dargestell­t. Sport ist wirklich straff und direkt, Tour die ganz entspannte Variante. Dazwischen Normalbetr­ieb, unaufgereg­t, aber durchaus anregend zu fahren. Auch in Sachen Bedienung braucht es keinen Hokuspokus. Eine kluge Gliederung in Bereiche mit direktem Zugriff und solchem per Touchscree­n ist alles, was es braucht. Wer etwas in der Größe sucht und leben kann ohne die Beschäftig­ungstherap­ie, 64 Farben für den Innenraum auszusuche­n, sollte den Insignia näher inspiziere­n. (tiv)

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[ Fabry ]

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