Moskau auf Distanz zu den Freiheitlichen
Kontakte. Der Kreml hält sich aus dem Debakel der FPÖ heraus. Früher zelebrierte man demonstrative Nähe.
Moskau. Oft hat sich der Kreml als Schirmherr rechtsextremer und rechtspopulistischer Parteien in Europa inszeniert. Doch in der Ibiza-Affäre schweigt Moskau. Kein Wort des Beistands. Genauer: überhaupt kein Kommentar.
Er könne das Auftauchen dieses Videos nicht beurteilen, sagte Kreml-Sprecher Dmitrij Peskow. „Es hat keine Verbindung zur Russischen Föderation, zum Präsidenten oder zu der Regierung.“Man wisse nicht, wer die angebliche Oligarchennichte Aljona Makarowa sei, ob sie überhaupt russische Bürgerin sei.
Für die beiden FPÖ-Politiker war die mutmaßliche RusslandConnection der Grund, dem Treffen zuzustimmen. Für Moskau ist der Konnex peinlich: Illegales Oligarchengeld aus Russland soll politische Einflussnahme garantieren, so lautet die Story. Ein Szenario, vor dem doch viele zuletzt gewarnt haben angesichts der Netzwerke zwischen Kreml und rechten Parteien, Wahlmanipulation und des medialen Engagements Moskaus im Ausland. Wurde „hybride“Einflussnahme ruchbar, wie etwa die St. Petersburger Trollfabrik, bestritt sie der Kreml stets. Die Leugnung von Tatsachen hat sich in den Augen Moskaus durchaus als erfolgreiche Strategie erwiesen.
Das offizielle Russland hat freilich eine Meinung zu der Affäre. Der prominente Senator Konstantin Kosatschow (diese Woche Gast bei einer Expertendiskussion des Waldaj-Forums in Wien) hat sie vermutlich treffend ausgedrückt. Er beurteilte die Aktion als „Provokation“kurz vor der EUWahl. Sie sei ein Schlag gegen die extreme Rechte, die Chancen habe „auf ein Rekordergebnis“. Die Veröffentlichung, als deren Urheber er liberale Netzwerke insinuiert, sei nicht nur ein Schlag gegen Heinz-Christian Strache, sondern auch gegen Regierungschef Sebastian Kurz. „Das System hat wieder zugeschlagen: Die regierenden liberalen Kräfte diskreditieren um jeden Preis rechte Politiker, die sie mit abwertenden Begriffen bezeichnen – von Populisten bis Faschisten.“
Offen ist die Frage, wie es mit der seit mehreren Jahren öffentlich zelebrierten RusslandFreundschaft der Freiheitlichen weitergeht. Denn mehrere Kader, die diese Annäherung in die Wege leiteten, sind nicht mehr im Amt: Neben Strache und Gudenus war der frühere Linzer Vizebürgermeister Detlef Wimmer ein Kreml-Versteher. Er trat zu Jahresbeginn zurück. Wimmer nahm im April 2019 zum wiederholten Mal am Wirtschaftsforum in Jalta teil. Die Veranstaltung soll Investoren auf die isolierte Halbinsel bringen. In russischen Medienberichten wurde Wimmer in Ermangelung eines Amtes einfach als „Politiker“bezeichnet.
Ideologische Wende
Wimmer inszenierte sich als Drahtzieher der „Friedensmission“vom Dezember 2016, als die FPÖ mit der Kreml-Partei Einiges Russland ein Kooperationsabkommen unterschrieb. Der Kreml hoffte damals auf einen Präsidenten Norbert Hofer. Das klappte nicht. Erst mit der türkis-blauen Regierung verdichteten sich wieder direkte Kontakte zwischen dem Kreml und der von den Freiheitlichen nominierten Außenministerin Karin Kneissl. Sie traf in ihrer politischen Karriere zwei Mal Putin in Moskau und tanzte mit dem Kreml-Chef auf ihrer Hochzeit in der Steiermark.
Die Russland-Wende der FPÖ ist indes mehr als zehn Jahre her. Laut der „Süddeutschen Zeitung“soll Strache nach der Übernahme des Parteivorsitzes 2005 einen Berater Putins getroffen haben. Damals habe man einen Plan entworfen, „wie wir strategisch zusammenarbeiten“. Bei dem Kontakt soll es sich um Maxim Schewtschenko handeln, einen Kremlnahen Moderator und langjährigen Funktionär in Konsultativ-Organen. Schewtschenko streitet ab, jemals „Berater Putins“gewesen zu sein. Der Kontakt ist ihm zufolge 2008 zustande gekommen, als er sich um Vermittlung im Südkaukasus einsetzte. Um diese Zeit häuften sich jedenfalls die Moskau-freundlichen Signale der FPÖ – sei es im Georgien-Krieg oder im Streitfall Kosovo. Johann Gudenus trat zunehmend als Russland-Kurator in Erscheinung. Er hatte als Student Moskau-Erfahrung gesammelt und war von 2006 bis 2010 Geschäftsführer einer Osthandelsfirma mit russischer Tochter. 2012 war er mit Johannes Hübner in Grosny bei Ramsan Kadyrow zu Gast. Es folgten Einsätze als „Beobachter“des russischen Krim-Referendums 2014, Teilnahme an erzkonservativen Konferenzen und weitere Reisen nach Russland.
Nicht alle Russland-Projekte von Gudenus waren von Erfolg gekrönt – zu Fall brachte ihn eine vermeintliche Oligarchennichte. Wer wird die Russland-Agenden in der FPÖ weiter verwalten? Von der Moskau-Reise 2016 sind nicht mehr viele Teilnehmer übrig. Nur noch EU-Spitzenkandidat Harald Vilimsky und der designierte Parteichef, Norbert Hofer.