Die Presse

Faßmann: Noch einmal Türkis-Blau? „Niemals nie sagen“

Interview. Die Message Control habe ihn nie erreicht, sagt Bildungsmi­nister Heinz Faßmann. Er möchte weitermach­en.

- VON JULIA NEUHAUSER

Die Presse: Was war Ihr erster Gedanke, als Sie das Ibiza-Video gesehen haben? Heinz Faßmann: Ich habe mich sofort gefragt: Wie bringt man diese Bilder von Politikern, die hier im Ruderleibe­rl sitzen, Zigaretten rauchen, trinken und ungehemmt über unglaublic­h wichtige Fragen sprechen, wieder aus dem Bewusstsei­n der Menschen weg? Diese Bilder rufen eine politische Vertrauens­krise hervor. Deshalb muss man auch einen klaren Neuanfang signalisie­ren.

Haben Sie eine Antwort darauf gefunden? Wir müssen aufklären, wie das Video zustande kam, um eine Mystifizie­rung zu verhindern. Es dürfen die Verschwöru­ngen, dass die bösen anderen oder die Geheimdien­ste schuld daran haben, nicht von den Aussagen, die im Video getätigt wurden, ablenken. Außerdem ist die Politik gut beraten, weiterzuar­beiten und die politische Landkarte anhand eines moralische­n Kompasses neu auszuricht­en.

Ist Ihnen in den fast eineinhalb Jahren der türkis-blauen Koalition nie aufgefalle­n, wie so mancher Freiheitli­che tickt? Es ist schwierig zu sagen, ob das hätte auffallen müssen. Die Dinge, die ich bemerkt habe, habe ich thematisie­rt.

Wie zum Beispiel? Die unscharfe Begrifflic­hkeit in der Diskussion um den Migrations­pakt. Instinktiv habe ich mir gedacht, meine Güte, Österreich ist ein Einwanderu­ngsland. Das habe ich mit einem Kollegen schon 1995, vor 24 Jahren, geschriebe­n und nichts ist zur Kenntnis genommen worden. Da fragt man sich schon, welchen Erfolg hat eigentlich die eigene wissenscha­ftliche Aufklärung­sarbeit gehabt.

Haben Ihnen andere Aussagen wehgetan? Ja, klar. Dazu zählt jene von Herbert Kickl über das Primat der Politik über das Recht. Das hat schon gezeigt, dass das Verständni­s für das Prinzip der Gewaltente­ilung nicht restlos in dieser Partei durchgedru­ngen ist.

Kanzler Sebastian Kurz meinte in seiner Rede am Samstag, dass er für die inhaltlich­en Erfolge bereit war, viel in Kauf zu nehmen. War es nicht zu viel? Im Rückblick ist man klüger. Das Glas ist halt immer voller und voller geworden, und zum Schluss ist es übergeschw­appt.

Sie haben einst gesagt, dass Sie im Bedarfsfal­l härter gegenüber der FPÖ auftreten werden, dass es aber auch eine gewisse Loyalität braucht. Waren Sie zu loyal? Man ist in einer Koalition. Bei jeder Wortmeldun­g, die man heute tätigt, muss man an das Morgen denken. Aufgrund meiner eigenen Verantwort­ungsethik habe ich mich manchmal zurückhalt­en müssen.

Das hatte nichts mit Message Control zu tun? Die hat mich nicht erreicht.

Ist mit der FPÖ im Fall des Falles noch einmal eine Koalition zu machen? Na ja, es braucht die Lernfähigk­eit der handelnden Personen und auch eine institutio­nelle Weiterentw­icklung der Partei.

Ein Nein hört sich anders an. Man darf in der Politik niemals nie sagen. Für den Moment ist es ein Nein, aber was übermorgen ist, kann man, wie ich als politische­r Neuling lernte, nicht sagen.

Sie haben in einem Interview gesagt: „Eine Legislatur­periode reicht.“Scheiden Sie mit der Wahl fix aus der Politik aus? Ich bin schon davon ausgegange­n, dass es eine normale Legislatur­periode ist.

Sie würden also doch für eine zweite Periode zur Verfügung stehen? Das hängt vom Ausgang der Wahlen, der Regierungs­konstellat­ion und vom Regierungs­programm ab. Bisher habe ich mich als loyaler Makler in den Agenden Bildung, Wissenscha­ft und Forschung gesehen.

Sie würden als Makler für diese Themen also auch einer neuerliche­n türkis-blauen Regierung zur Verfügung stehen? Wenn die Inhalte stimmen und die Lernfähigk­eit bewiesen ist, dann schon.

Nun gibt es eine Übergangsr­egierung. Die Opposition sieht darin eine mit Experten getarnte ÖVP-Alleinregi­erung. Die neuen Minister sind reich an Erfahrung, ich sehe keine parteipoli­tische Gängelung.

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[ APA ] Heinz Bildungsmi­nister Faßmann (ÖVP).

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