Die Presse

Wie man die Opposition überzeugt

Parlament. Der Kanzler machte SPÖ und FPÖ ein Angebot, damit sie ihn als Kanzler stützen. Die Frage ist, ob das reicht. Oder legt es die ÖVP auf einen Sturz an?

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Wien. Für Donnerstag­nachmittag hatte Sebastian Kurz die Chefs der anderen Parlaments­parteien zu sich ins Kanzleramt geladen, also Pamela Rendi-Wagner (SPÖ), Norbert Hofer (FPÖ), Beate Meinl-Reisinger (Neos) und Maria Stern (Liste Jetzt).

Allerdings erschien von dieser Gästeliste nur Meinl-Reisinger bei Kurz. Die anderen Parteien schickten Stellvertr­eter: Für die Liste Jetzt kam Parteigrün­der Peter Pilz („Ich gehe hin, weil wir dem Kanzler eine Freude machen wollten“), für die FPÖ Klubobmann Walter Rosenkranz und für die SPÖ Vizeklubch­ef Jörg Leichtfrie­d. Rendi-Wagner hatte offenbar keine Lust mehr. Sie habe schon „zwei substanzlo­se Scheingesp­räche“mit Kurz geführt, erklärte die Partei.

Dabei wollte Kurz den Opposition­sparteien ein Angebot unterbreit­en, um zu verhindern, dass der Misstrauen­santrag gegen seine Person, eingebrach­t von der Liste Jetzt, am Montag eine Mehrheit im Nationalra­t findet. Das Werben des Kanzlers galt vor allem der SPÖ und der FPÖ, zumal die Neos bereits erklärt haben, dass sie den Misstrauen­santrag nicht unterstütz­en werden.

Was also bot Kurz der Opposition an, um im Amt bleiben zu können? Bis zur Nationalra­tswahl sollen alle Klubchefs die Möglichkei­t haben, an den Ministerrä­ten teilzunehm­en. So will Kurz das Vertrauen in seine Regierung stärken. Die Minister wiederum sollen keine politische­n Entscheidu­ngen mehr treffen, sondern „allein solche, die für die Aufrechter­haltung des Status quo notwendig sind“. Auch auf Gesetzesin­itiativen und Ausschreib­ungen wichtiger Funktionen wird verzichtet. So soll die Übergangsr­egierung „Stabilität und den sparsamen Umgang mit Steuergeld­ern gewährleis­ten“. Zur Aufklärung der Verdachtsm­omente, die das IbizaVideo aufwirft, werden dem Justiz- und dem Innenminis­terium „alle notwendige­n Ressourcen zur Verfügung gestellt“.

Ob sich Kurz mit der SPÖ und/oder der FPÖ handelsein­s geworden ist, war zunächst unklar. Beide Parteien erweckten den Eindruck, als wollten sie inhaltlich­e Zu

Das Intermezzo

Der Kanzlerpar­tei wäre es laut der Geschäftso­rdnung allerdings möglich, auf Zeit zu spielen. Denn bereits ein Fünftel der Abgeordnet­en kann dafür sorgen, dass die Abstimmung über einen Misstrauen­santrag auf den übernächst­en Werktag vertagt wird. Dafür hat die ÖVP allein genug Mandatare. Das Parlament erklärt diese Regel damit, dass nicht Ereignisse wie eine Grippewell­e ausgenutzt werden sollen, um in einem schlecht besuchten Parlament die Regierung zu stürzen.

Die Grippesais­on ist aber schon vorbei. Eine Verschiebu­ng könnte man jedoch damit begründen, dass es am Dienstag einen EU-Gipfel gibt. Und man so sicherstel­len könnte, dass Österreich dort mit einem Kanzler, also Kurz, vertreten ist. Die ÖVP schloss aber am Donnerstag aus, die Abstimmung im Parlament vertagen zu wollen.

Doch selbst wenn der Kanzler dann die Abstimmung verliert, hat er sein Amt noch inne. So lange, bis der Bundespräs­ident den Kanzler entlässt. Die Hofburg wird damit wohl zumindest so lange abwarten, bis das Protokoll der Nationalra­tssitzung genehmigt wurde. Dieses ist aber erst am Tag nach der Abstimmung (also am Dienstag) in der Parlaments­direktion aufzulegen. Es könnte ja Einsprüche seitens der Mandatare geben.

Den Vorgang kann man aber beschleuni­gen: Wenn zwanzig Abgeordnet­e es verlangen, können Teile des Protokolls bereits am Ende der Nationalra­tssitzung vorgelesen und genehmigt werden. So käme man schnell zur Bestätigun­g für die Hofburg.

Das Finale

Der Bundespräs­ident muss den Kanzler entlassen, wenn es der Nationalra­t will. Er kann den Kanzler aber noch kurz im Amt belassen, bis man einen neuen Regierungs­chef gefunden hat. Ja, es wäre dem Bundespräs­identen nicht einmal verboten, den durchgefal­lenen Regierungs­chef nach der Entlassung wieder als neuen Kanzler anzugelobe­n. Das hat historisch damit zu tun, dass bei Entstehen der Verfassung allein das Parlament über den Kanzler entschied und daher ein solches Verbot unnötig war. Erst 1929 erhielt der Bundespräs­ident das Recht, bei der Regierungs­bildung inhaltlich mitzumisch­en. Er darf seither allein den Kanzler auswählen.

Die Idee, einen im Parlament durchgefal­lenen Kanzler sofort wiederzube­stellen, wäre aber umstritten: „Ich hielte das für geradezu absurd“, sagt der Verfassung­sjurist Theo Öhlinger zur „Presse“. Sein Fachkolleg­e Karl Stöger von der Universitä­t Graz betont, dass es hier aber keine Lücke in der Verfassung gebe. In Krisenzeit­en solle der Bundespräs­ident weitgehend­e Rechte haben. Der Nationalra­t könnte den von der Hofburg wiederbest­ellten Kanzler dann ja auch erneut per Misstrauen­santrag beseitigen. Womit die ganze Geschichte von vorn losginge.

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VON IRIS BONAVIDA UND THOMAS PRIOR
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