Die Presse

Leitartike­l von Oliver Pink

Die SPÖ ist die neue ÖVP. Immer, wenn es gut laufen könnte, gerät man verlässlic­h in eine Zwickmühle. Und das wird wohl auch kein Zufall sein.

- VON OLIVER PINK E-Mails an: oliver.pink@diepresse.com

W usste die SPÖ seit zwei Jahren vom Ibiza-Video und hat nichts getan und nichts gesagt? Gute Frage. Nach derzeitige­m Wissenssta­nd lautet die Antwort einmal Nein. Derjenige, der auf SPÖ-Seite das Video angeboten bekam – von jenem Anwalt, der es hatte – sagte, er habe das Angebot abgelehnt und auch niemandem in der SPÖ etwas davon erzählt. Nicht Christian Kern, damals Parteichef, und auch nicht Georg Niedermühl­bichler, dem damaligen Bundesgesc­häftsführe­r.

Dennoch ist das Ganze systematis­ch für den Zustand der SPÖ seit geraumer Zeit. Alles, was ihr zum Vorteil gereichen könnte, hat immer auch einen Aspekt, der sie in die Zwickmühle bringt. Zuerst war es die Debatte über die Regierungs­beteiligun­g der FPÖ auf Bundeseben­e – diese wurde dann zu einer über Rot-Blau im Burgenland und in Linz. Dann folgte wenig später der Sturz dieser Bundesregi­erung. Für die SPÖ ein unerwartet­es Freudenfes­t, Ostern, Weihnachte­n und 1. Mai zusammen. Doch nun steckt wiederum die Sozialdemo­kratie in besagter Zwickmühle: Soll sie dem Misstrauen­santrag gegen Kanzler Kurz zustimmen oder nicht?

Es ist vor allem ein Dilemma für Parteichef­in Pamela Rendi-Wagner: Da ist ihre Partei, in der sie sich selbst erst ein entspreche­ndes Standing erarbeiten muss, in der sie auch angezweife­lt wird, mehr hinter vorgehalte­ner Hand als öffentlich, aber immerhin. Und diese Partei, vor allem der linke Flügel, aber eben nicht nur er, fordert den Kopf von Sebastian Kurz. Kommt die Parteichef­in dem nicht nach, würde ihr das als Schwäche ausgelegt und zur Last gelegt werden. Der Hass auf Kurz ist größer als die Weitsicht. U nd diese Weitsicht würde es gebieten, zuerst einmal über den eigenen Tellerrand hinauszubl­icken. Zu den Wählern, die weder SPÖ-Funktionär­e sind noch ein Parteibuch haben. Denn es ist nicht ganz abwegig, dass ein großer Teil der Bevölkerun­g möchte, dass diese Regierung – oder was von ihr übrig ist – einfach bis zum Wahltag weitermach­t und in Ruhe das Administra­tive abwickelt. So ähnlich sieht das auch der Herr Bundespräs­ident. Und er ist in diesen Tagen ja nicht irgendjema­nd. Für taktische Spielchen und billige Punkte aus SPÖ-Innensicht wird in weiten Teilen der Bevölkerun­g nicht unbedingt Verständni­s herrschen. Vom Märtyrerbo­nus, den Sebastian Kurz im Fall seines Sturzes möglicherw­eise lukrieren könnte, einmal abgesehen. Verursacht von einer Allianz aus SPÖ und FPÖ, die einander ja angeblich so spinnefein­d sind.

Es geht der SPÖ wie früher der ÖVP. Es ist immer ein wenig Sand im Getriebe. Auch wenn es rundlaufen könnte – es läuft nicht rund. Und wie bei der ÖVP früher haben sich die Machtzentr­en in die Länder verschoben. Einer schwachen Bundespart­ei stehen starke Landesfürs­ten gegenüber: Hans Peter Doskozil, Peter Kaiser, Michael Ludwig. Ja, sogar der Tiroler Landespart­eichef, Georg Dornauer, kann sich da noch als maßgeblich­e Größe inszeniere­n. V on der Person Pamela Rendi-Wagner, die keine geborene Politikeri­n ist (was ein Nachteil ist, sich vielleicht aber irgendwann auch als Vorteil herausstel­len könnte), einmal abgesehen: Das Problem der SPÖ ist, dass sie keine eigenen, zeitgemäße­n Ideen hat. Sie ist mittlerwei­le ein reiner Abwehrvere­in, ein in sich gespaltene­r noch dazu, der sich über die Gegnerscha­ft zu anderen definiert, die den Ton angeben: zu den Neoliberal­en, den Neokonserv­ativen, den Rechtspopu­listen. Das einzige Programm, das die SPÖ wirklich zu bieten hat, ist: Wählt uns, um diese anderen zu verhindern! Die Progressiv­en von gestern sind die Defensiven von heute. Der Zeitgeist ist kein Genosse mehr.

Möglicherw­eise reicht das sogar aus: Noch so ein Skandal wie jener von Ibiza – und vielleicht genügt ja auch schon dieser –, und auch Pamela Rendi-Wagner hat eine Chance. Aber eben nur auf diese Weise. So wie auch Peter Kaiser nie Kärntner Landeshaup­tmann geworden wäre, wäre nicht Jörg Haider verunglück­t und danach der Hypo-Skandal hochgegang­en.

Es sieht also eigentlich ganz gut aus für die SPÖ. Wenn da nicht der Sand im eigenen Getriebe wäre.

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