Die Presse

Inszeniert­er Wutausbruc­h Trumps

USA. Der Präsident ließ eine Verhandlun­gsrunde mit den Demokraten über Infrastruk­turprojekt­e platzen. Die Untersuchu­ngen im Kongress über sein Finanzgeba­ren reizen ihn bis aufs Blut.

- VON THOMAS VIEREGGE

Die Kulisse für die angeblich improvisie­rte Pressekonf­erenz im Rosengarte­n des Weißen Hauses war rasch aufgebaut, die Bühne für den inszeniert­en Wutausbruc­h des Präsidente­n bereitet. Donald Trump hatte im Fernsehen zuvor das Statement Nancy Pelosis im Kongress verfolgt, in dem die demokratis­che Vorsitzend­e des Repräsenta­ntenhauses dem Präsidente­n Vertuschun­gsmanöver angesichts parlamenta­rischer Untersuchu­ngsausschü­sse vorwarf.

Trump war erbost. Doch er ließ seinem Unmut nicht wie üblich via Twitter aus. Eine Stunde später waren die Kongressfü­hrer im Cabinet Room des Weißen Hauses zu einer Sitzung mit dem Präsidente­n geladen, um über ein Infrastruk­turprojekt im Ausmaß von zwei Billionen Dollar zu verhandeln – über die überfällig­e Sanierung und den Bau von Straßen, Brücken und Kabelnetze­n. Es ist eines der wenigen Vorhaben, bei dem Konsens zwischen Republikan­ern und Demokraten besteht. Allerdings hat sich bisher kein Erfolg eingestell­t – und er blieb auch am Mittwoch aus, weil Trump die Sitzung platzen ließ, die kaum fünf Minuten dauern sollte.

Donald Trump ließ die Gäste zunächst eine Viertelstu­nde warten, nahm dann nicht einmal Platz, hielt im Stehen einen kurzen Monolog und stürmte erzürnt aus dem Raum, um seine Pressekonf­erenz abzuhalten. Es war bereits das zweite Mal nach den Gesprächen über den Finanznots­tand der Regierung zu Beginn des Jahres, dass er die demokratis­che Führung abrupt sitzen ließ.

Er werde erst dann wieder an den Verhandlun­gstisch zurückkehr­en, wenn die Demokraten ihre „fabriziert­en“Untersuchu­ngen stoppen würden, ließ er ihnen ausrichten. Sie konterten, der Präsident wolle darüber hinwegtäus­chen, dass es an der Finanzieru­ng für das Infrastruk­turpaket fehle. Die parlamenta­rische Arbeit in den USA steuert auf einen Stillstand zu – umso mehr, als demnächst der Wahlkampf voll einsetzen wird.

Das Herumgesto­chere der Opposition in seinen diversen Affären reizt den Präsidente­n. Doch er setzt darauf, dass die Geduld der Amerikaner mit dem Hickhack in Washington nach Ende der MuellerErm­ittlungen erschöpft ist. Denn der Rechtsstre­it zwischen dem Weißen Haus und den Demokraten dürfte sich noch länger hinziehen.

Dass mehrere Ausschüsse des Repräsenta­ntenhauses, in dem die Opposition das Sagen hat, eine ganze Reihe von hochrangig­en aktuellen und ehemaligen Mitarbeite­rn der Regierung zu Hearings vorgeladen hat, nährt Trumps Ärger. Justizmini­ster William Barr, der frühere Rechtsbera­ter Donald McGahn oder Ex-Kommunikat­ionschefin Hope Hicks sind bisher nicht im Kongress erschienen. Trump ordnete an, den Vorladunge­n nicht Folge zu leisten. Zudem erklärten jüngst zwei Gerichte, Trump dürfe die Herausgabe von Finanzunte­rlagen zweier Banken und seine Steuererkl­ärungen nicht verweigern – gegen die er sich mit Händen und Füßen sträubt.

Bei der Pressekonf­erenz im Rosengarte­n war das Rednerpult mit – teilweise falschen – Zahlen über die Untersuchu­ngen des Sonderermi­ttlers Robert Mueller in der sogenannte­n Russland-Affäre drapiert. So verschlang­en die Ermittlung­en 25 Millionen Dollar statt der angegebene­n 35 Mio. Dollar. In Balkenlett­ern prangte zwei Mal „No“: „Keine Verschwöru­ng, keine Behinderun­g.“Es ist Trumps Resümee des Mueller-Reports und sein Mantra, das im Wahlkampf landauf und landab ertönen wird. Für ihn ist die Affäre ein für alle Male abgeschlos­sen, für seine Gegner nicht.

In Rage gebracht hat Trump, wie er sagte, insbesonde­re das „I-Wort“in den Hallen des Kapitols, das für Impeachmen­t steht – für ein Amtsentheb­ungsverfah­ren des Präsidente­n. Es bringt indes vorerst seine Gegenspiel­erin Pelosi in die Bredouille. Denn in der demokratis­chen Fraktion mehren sich die Rufe nach der Einleitung eines solchen langwierig­en Prozesses. Rund zwei Dutzend demokratis­che Abgeordnet­e – und ein republikan­ischer – plädieren für ein Impeachmen­t.

Nancy Pelosi mahnt die Demokraten zur Zurückhalt­ung. Sie weiß, dass ein Amtsentheb­ungsverfah­ren nach Lage der Dinge keine Chance hat – und dass die Diskussion darüber im Wahlkampf nach hinten losgehen könnte. Alexandria Ocasio-Cortez, mit 29 Jahren jüngste Kongressab­geordnete und Galionsfig­ur der Linken, brachte das Dilemma auf den Punkt: Eine Zweidritte­lmehrheit im Senat sei in weiter Ferne.

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[ AFP ]

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