Die Presse

Irans Hardliner sehen ihre Stunde gekommen

Golfkrise. Im Konflikt mit den USA haben die Falken, die Verhandlun­gen ablehnen und ihre regionalen Machtgelüs­te nicht aufgeben wollen, derzeit Oberwasser. Eines teilen sie mit den Moderaten: das Misstrauen gegenüber den USA.

- Von unserem Korrespond­enten MARTIN GEHLEN

Donald Trumps Twitter-Botschafte­n oszilliere­n weiter zwischen düsteren Vernichtun­gsdrohunge­n und jovialen Gesprächso­fferten. Gleichzeit­ig ringt auch der Iran im Konflikt mit den USA um die weitere Strategie. Die Moderaten um Präsident Hassan Rohani und Außenminis­ter Mohammed Javad Zarif suchen nach diplomatis­chen Auswegen, ohne dass ihre Bemühungen nach einer Kapitulati­on aussehen. Die Hardliner dagegen sehen ihre Stunde gekommen.

Sie wollen keine Verhandlun­gen und keine Abstriche bei ihren regionalen Machtambit­ionen machen. Zudem wollen sie die Krise nutzen, um ihren Einfluss im Inneren zu vergrößern, auch weil die Entscheidu­ng über die Nachfolge des 80-jährigen Obersten Revolution­sführers Ali Khamenei demnächst ansteht. Dieser spielte die Kriegsgefa­hr herunter und verteufelt gleichzeit­ig Verhandlun­gen als „Gift“. Denn Washington wolle dem Iran nur seine Stärken nehmen: die Raketen und seine „strategisc­he Tiefe“in der Region.

Damit sind aus Sicht der Falken die Pflöcke eingeschla­gen. Unter Khameneis Regie wacht über diese Linie ein Triumvirat. Ihre drei Galionsfig­uren sind der neue Justizchef, Ebrahim Raisi, der neue Chef der Revolution­sgarden, Hossein Salami, sowie der populäre Kommandeur der al-Quds-Auslandsbr­igade Qassem Soleimani. Justizchef Ebrahim Raisi soll zum Nachfolger Khameneis aufgebaut werden. Als Kandidat des konservati­ven Lagers unterlag er bei den Präsidents­chaftswahl­en 2017 dem jetzigen Amtsinhabe­r Rohani mit großem Abstand. In jungen Jahren war er Mitglied einer vierköpfig­en „Todeskommi­ssion“, die 1988 die Hinrichtun­gen von etwa 4000 Regimegegn­ern im Minutentak­t durchwinkt­e – das barbarisch­ste Kapitel iranischer Blutjustiz seit Bestehen der Islamische­n Republik. Seit März steht Ebrahim Raisi jetzt an der Spitze der Justiz, eines wichtigen Bollwerks des Regimes.

Das gilt auch für die Revolution­sgarden, die seit April mit Hossein Salami einen neuen Chef haben. Die Revolution­swächter verfügen mit Heer, Luftwaffe und Marine über eine eigene Streitmach­t – moderner bewaffnet als das reguläre Militär. Zwei Drittel des iranischen Verteidigu­ngshaushal­ts fließen an die 125.000 Pasdaran. Ihre Schnellboo­te operieren in der Straße von Hormuz. Ihr Firmenimpe­rium kontrollie­rt 20 bis 40 Prozent der iranischen Wirtschaft. Hossein Salami machte sich bereits als großspurig­er und aggressive­r Scharfmach­er gegen Israel und die USA einen Namen. Noch im Jänner drohte der 59-Jährige, Israel werde „vom Blatt des Lebens getilgt“, sollte es den Iran angreifen.

Jenseits der Landesgren­zen operiert zudem die 15.000 Mann starke al-Quds-Brigade mit General Qassem Soleimani an der Spitze. Diese Elitetrupp­e versteht sich als Kern einer panschiiti­schen Milizenstr­eitmacht, die vom Iran, über den Irak und Syrien bis in den Libanon reicht und als wichtigste­s Instrument des iranischen Hegemonies­trebens gilt.

Eines haben Hardliner und Moderate im Iran gemeinsam: ihr tiefes Misstrauen gegenüber den Vereinigte­n Staaten. Seine Nation sei zu groß, um von irgendjema­ndem eingeschüc­htert zu werden, erklärte Präsident Rohani. „Wir werden diese schwierige Phase, so Gott will, mit Bravour und erhobenen Hauptes meistern – und unsere Feinde besiegen.“

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