Die Presse

Trump zwingt Huawei in die Knie

Handelsstr­eit. Nach Google wendet sich auch die britische Chipschmie­de ARM von Huawei ab. Peking ist alarmiert und ruft zu Tech-Autarkie auf.

- VON MARLIES EDER UND BARBARA STEINBRENN­ER

Wien/Shenzhen. Seit Monaten macht US-Präsident Donald Trump Stimmung gegen Huawei. Spionage, „Kill Switches“und absichtlic­h eingebaute Sicherheit­slücken in der Software, die Liste der Vorwürfe ist lang. Und dass die USA den weltweit größten Netzwerkau­srüster samt seiner Tochterfir­men vergangene Woche auf eine schwarze Liste gesetzt haben, führt in China zu einer rhetorisch­en Eskalation­sspirale. Dabei ist die Stimmung seit dem Scheitern der Handelsges­präche Anfang Mai ohnehin aufgeheizt.

Am Donnerstag gipfelte Chinas Unmut in einer offizielle­n Protestnot­e durch das Pekinger Handelsmin­isterium. Schon zuvor hatte Außenminis­ter Wang Yi den USA „wirtschaft­liches Mobbing“vorgeworfe­n, um Chinas Wachstumsk­raft einzudämme­n. Ähnliche Worte wählte das Pekinger Propaganda­sprachrohr „People’s Daily“in seinem Leitartike­l von Mittwoch.

Zwar konnten die US-Geheimdien­ste die Vorwürfe gegen Huawei nie offiziell nachweisen. Dennoch verlangte Trump einen weltweiten Boykott des chinesisch­en Tech-Riesen beim Ausbau der nächsten Mobilfunkg­eneration 5G. Ein Aufruf, dem selbst US-Verbündete nicht nachkamen. Indem er nun allen US-Unternehme­n eine Zusammenar­beit mit Huawei verbietet, greift Trump zu einem noch drastische­ren Mittel.

ARM-Abkehr überrasche­nd

Schon am Montag wandten sich US-Firmen, unter anderem Google, zwangsweis­e von dem chinesisch­en Konzern ab. Die Nummer zwei auf dem Smartphone-Markt darf daher das Betriebssy­stems Android in neuen Geräten nicht mehr nutzen. Doch das ist für die Chinesen bei Weitem nicht der schwerste Schlag. Hinter verschloss­enen Türen tüftelt Huawei seit einigen Jahren ohnehin an seiner Android-Alternativ­e Hongmeng.

Am Mittwoch hat auch der Prozessore­nherstelle­r ARM seine Partnersch­aft mit Huawei aufgekündi­gt. Eigentlich sitzt das Unternehme­n in Großbritan­nien und gehört zum größten Teil der japanische­n Softbank. Aber: Da ARM-Chips auch US-Technologi­e beinhalten, befürchtet der Hersteller, dass die US-Verordnung greifen könnte. Immerhin besitzt die Chipschmie­de auch Entwicklun­gs- und Forschungs­abteilunge­n in Austin (Texas) und San Jose´ (Kalifornie­n).

Huawei ist mit seinem Tochterunt­ernehmen, dem Halbleiter­Profi Hisilicon, seit 28 Jahren aktiv in der Prozessor-Entwicklun­g tätig und dabei essenziell von ARM abhängig – wie nahezu alle Smartphone­hersteller. Alternativ­en gibt es nicht, denn derzeit bauen sämtliche Handyproze­ssoren auf der ARM-Technologi­e auf.

Aktuelle Geräte sind von dem Bann noch ausgenomme­n. Huawei kann den Prozessor Kirin 980, den es in der P30-Serie einsetzt, daher noch weiter verwenden. Das bedeutet auch, dass Huaweis erstes faltbares Smartphone, das Mate X, vorerst nicht betroffen ist. Die für Oktober erwarteten MateSmartp­hones mit dem Prozessor Kirin-985 sind ebenfalls sicher. Doch Anfang 2020 ist Schluss.

Dass China in seinem technologi­schen Fortschrit­t noch von ausländisc­hem Know-how abhängig ist, dessen ist sich die Führung in Peking bewusst. Nicht zufällig rief Chinas Staats- und Parteichef, Xi Jinping, seine Landsmänne­r bei einer hoch symbolisch­en Reise nach Jiangxi zu Autarkie und technologi­scher Innovation in Kerntechno­logien auf. In der ostchinesi­schen Provinz hatte die Rote Armee 1934 ihren Langen Marsch gestartet. Der verlustrei­che Rückzug vor den Truppen der nationalis­tischen Guomindang wurde zum Gründungsm­ythos für die Kommunisti­sche Partei.

Druckmitte­l seltene Erden

Xis dramatisch­er Aufruf ist nicht nur in Zusammenha­ng mit Huawei zu sehen. Als Bühne seines Appells wählte er das Unternehme­n JL Mag Rare-Earth, einen der größten Verarbeite­r seltener Erden. Die aus 17 Metallen bestehende Gruppe ist vor allem im Hightechbe­reich zentral: Automobil- und Flugzeugin­dustrie, Fotovoltai­k, Computer- oder Smartphone­produktion kommen nicht ohne den wertvollen Rohstoff aus.

China hat eine Monopolste­llung. Mehr als 90 Prozent der weltweit produziert­en seltenen Erden stammen aus der Volksrepub­lik. Nicht zufällig haben die USA die Metalle noch nicht auf ihre Zollliste für Importe aus China gesetzt. So wird der Rohstoff zu Xis wichtigste­m Druckmitte­l im Handelsstr­eit: Peking könnte den Export seltener Erden in die USA verbieten. Und Apple und Dell maßgeblich schaden.

Währenddes­sen steht Huawei ohne Prozessore­n da. Eine Eigenentwi­cklung ist möglich, aber zeitintens­iv. Damit schadet US-Präsident Trump Huawei und den Kunden massiv. Diese können ihre Geräte zwar vorerst weiter nutzen. Spätestens beim nächsten großen Software-Update ist Huawei nicht mehr inkludiert. Android Q wird es nicht mehr auf diese Geräte schaffen. Solang die Software-Versorgung nicht geklärt ist, ist der Kauf von Huawei-Geräten mit einem großen Risiko verbunden.

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[ Reuters ] Die Nummer zwei auf dem Smartphone­markt blickt seit Sonntag in eine ungewisse Zukunft.

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