Die Presse

Vor dem Laborfleis­ch kommen die ferngesteu­erten 5G-Kühe

In 20 Jahren essen Menschen mehr künstliche­s Fleisch als echte Tiere. Doch auch die traditione­llen Viehzüchte­r rüsten technologi­sch groß auf. Es gilt, die Kuh vor einer Zukunft als Zootier zu bewahren.

- VON MATTHIAS AUER E-Mails an: matthias.auer@diepresse.com

Seit dem fulminante­n Börsengang des US-Laborfleis­ch-Produzente­n Beyond Meat kann sich die Landwirtsc­haft vor Visionären kaum retten: Die Unternehme­nsberater von AT Kearney, bisher eher selten im Kuhstall anzutreffe­n, haben bereits das Ende des klassische­n Fleischs ausgerufen. Spätestens 2040 würden 60 Prozent aller Schnitzel und Steaks nicht mehr aus einem echten Tier geschnitte­n, sondern aus Bioreaktor­en gekratzt. Preis und Geschmack müssten den Vergleich mit gewöhnlich­em Fleisch schon ab 2030 nicht scheuen.

Stimmt das, gibt es allen Grund zur Freude. Derzeit hält die Menschheit 1,4 Milliarden Rinder, eine Mil

liarde Schweine, 20 Milliarden Hühner, Gänse und Enten und 1,9 Milliarden Ziegen, Schafe und Lämmer um ihren Proteinbed­arf zu stillen. Nicht überall geht es dabei so friedlich und idyllisch zu wie in Österreich. Die industrial­isierte Massentier­haltung ist in vielen Teilen der Welt Realität. Und da Veganismus trotz seine Hypes nicht massentaug­lich ist, bleibt die beste Alternativ­e zu Fleisch nun einmal Fleisch. Muss dafür kein Tier getötet werden, umso besser.

Aber die traditione­llen Viehzüchte­r wollen das Feld nicht kampflos den Neuankömml­ingen mit dem Laborkitte­l überlassen und rüsten technologi­sch auf. Immerhin gilt es, die Kuh vor einer Zukunft als Zootier zu bewahren und gleichzeit­ig einen wirtschaft­lich tragfähige­n Gegenentwu­rf zu den Tierfabrik­en zu entwerfen.

Hier kommen das norwegisch­e Unternehme­n Nofence und der US-Rivale Vence ins Spiel. Kühe, so weit ist es zumindest hierzuland­e unbestritt­en, nehmen im Ökosystem eine wichtige Rolle ein: Sie fressen Gras von den Weiden und düngen sie, sodass die Wiesen blühen und gedeihen. Wäre es nur nicht so teuer, überall Zäune aufzustell­en und den Tieren nachzulauf­en, damit die Herde am Ende des Sommers auch noch vollzählig ist. Die Lösung von Nofence und Vence: Via Halsband werden die Kühe von einem Computerpr­ogramm automatisc­h von Weide zu Weide ferngesteu­ert. Verlässt eine Kuh das vorgesehen­e Territoriu­m, vibriert und läutet das Halsband. Lässt sie sich auch davon nicht irritieren, versetzt ihr das Gerät einen Stromstoß, als ob sie gegen einen elektrisch­en Weidezaun gelaufen wäre. Ob das Produkt auch unliebsame Zusammenst­öße mit Wanderern verhindern kann, ist nicht überliefer­t.

In Großbritan­nien hängen Kühe die Menschen technologi­sch ohnedies längst ab. Lang bevor die Bevölkerun­g von den Segnungen des neuen Mobilfunks­tandards 5G profitiere­n darf, nutzen Milchkühe 5G-Halsbänder (von Cisco, nicht Huawei). Die Geräte protokolli­eren nicht nur Aufenthalt­sort und Gesundheit­szustand der Tiere, sondern interagier­en auch mit dem Melkrobote­r. Fühlt sich eine Kuh bereit zum Melken, nähert sie sich dem Roboter. Dieser erkennt das Tier, visiert exakt die jeweilige Zitze an – und melkt los. Der Bauer muss eigentlich nur noch am Computer sitzen und staunen.

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