Vor dem Laborfleisch kommen die ferngesteuerten 5G-Kühe
In 20 Jahren essen Menschen mehr künstliches Fleisch als echte Tiere. Doch auch die traditionellen Viehzüchter rüsten technologisch groß auf. Es gilt, die Kuh vor einer Zukunft als Zootier zu bewahren.
Seit dem fulminanten Börsengang des US-Laborfleisch-Produzenten Beyond Meat kann sich die Landwirtschaft vor Visionären kaum retten: Die Unternehmensberater von AT Kearney, bisher eher selten im Kuhstall anzutreffen, haben bereits das Ende des klassischen Fleischs ausgerufen. Spätestens 2040 würden 60 Prozent aller Schnitzel und Steaks nicht mehr aus einem echten Tier geschnitten, sondern aus Bioreaktoren gekratzt. Preis und Geschmack müssten den Vergleich mit gewöhnlichem Fleisch schon ab 2030 nicht scheuen.
Stimmt das, gibt es allen Grund zur Freude. Derzeit hält die Menschheit 1,4 Milliarden Rinder, eine Mil
liarde Schweine, 20 Milliarden Hühner, Gänse und Enten und 1,9 Milliarden Ziegen, Schafe und Lämmer um ihren Proteinbedarf zu stillen. Nicht überall geht es dabei so friedlich und idyllisch zu wie in Österreich. Die industrialisierte Massentierhaltung ist in vielen Teilen der Welt Realität. Und da Veganismus trotz seine Hypes nicht massentauglich ist, bleibt die beste Alternative zu Fleisch nun einmal Fleisch. Muss dafür kein Tier getötet werden, umso besser.
Aber die traditionellen Viehzüchter wollen das Feld nicht kampflos den Neuankömmlingen mit dem Laborkittel überlassen und rüsten technologisch auf. Immerhin gilt es, die Kuh vor einer Zukunft als Zootier zu bewahren und gleichzeitig einen wirtschaftlich tragfähigen Gegenentwurf zu den Tierfabriken zu entwerfen.
Hier kommen das norwegische Unternehmen Nofence und der US-Rivale Vence ins Spiel. Kühe, so weit ist es zumindest hierzulande unbestritten, nehmen im Ökosystem eine wichtige Rolle ein: Sie fressen Gras von den Weiden und düngen sie, sodass die Wiesen blühen und gedeihen. Wäre es nur nicht so teuer, überall Zäune aufzustellen und den Tieren nachzulaufen, damit die Herde am Ende des Sommers auch noch vollzählig ist. Die Lösung von Nofence und Vence: Via Halsband werden die Kühe von einem Computerprogramm automatisch von Weide zu Weide ferngesteuert. Verlässt eine Kuh das vorgesehene Territorium, vibriert und läutet das Halsband. Lässt sie sich auch davon nicht irritieren, versetzt ihr das Gerät einen Stromstoß, als ob sie gegen einen elektrischen Weidezaun gelaufen wäre. Ob das Produkt auch unliebsame Zusammenstöße mit Wanderern verhindern kann, ist nicht überliefert.
In Großbritannien hängen Kühe die Menschen technologisch ohnedies längst ab. Lang bevor die Bevölkerung von den Segnungen des neuen Mobilfunkstandards 5G profitieren darf, nutzen Milchkühe 5G-Halsbänder (von Cisco, nicht Huawei). Die Geräte protokollieren nicht nur Aufenthaltsort und Gesundheitszustand der Tiere, sondern interagieren auch mit dem Melkroboter. Fühlt sich eine Kuh bereit zum Melken, nähert sie sich dem Roboter. Dieser erkennt das Tier, visiert exakt die jeweilige Zitze an – und melkt los. Der Bauer muss eigentlich nur noch am Computer sitzen und staunen.