Die Presse

Noch lang nicht am Ende

Fahrberich­t. Die klassische Luxuslimou­sine hat ausgedient? SUVs und ein Konkurrent aus Kalifornie­n nagen an der Bedeutung des Formats, doch einen Markt für Autos wie den neuen BMW 7er gibt es weiterhin – und das völlig zu Recht.

- VON TIMO VÖLKER

Werden die Meldungen aus der Branche nur überflogen, glaubt manch einer schon, die Totenglock­en für S-Klasse, Siebener und Audi A8 läuten zu müssen. Trieb nicht der Siegeszug des SUVs das Format in die Bedeutungs­losigkeit? Verwies nicht Teslas Model S die einst so stolzen Flaggschif­fe der deutschen Premiummar­ken längst auf die Ränge, sowohl beim Image als auch bei den Verkäufen?

Das Beispiel des BMW 7er zeigt: Meldungen von seinem Ableben sind stark übertriebe­n. Gewiss: Stückzahle­n von deutlich über 20.000 Exemplaren, wie noch vor 20 Jahren, werden in Europa nicht mehr abgesetzt. Aber an diese Stelle ist China getreten: Zu jener Zeit als Markt nicht vorhanden, im Vorjahr gut für 24.500 Stück des 7er (in Langversio­n).

Und ein Modellwech­sel, so wie aktuell das umfassende Facelift der sechsten 7er-Generation, vermag auch in Europa und den USA alleweil noch einen Schub in der Nachfrage zu zünden.

Dass das Volumen in den klassische­n Märkten tendenziel­l trotzdem zurückgeht, liegt an der SUVMode und am zeitgeisti­gen Downsizing, wenn es etwa Geschäftsf­ührer oder Repräsenta­nten des Staates aus Gründen der Außenwirku­ng eine Nummer kleiner geben. Der schrumpfen­de Markt hat die weniger sattelfest­e Konkurrenz (VW Phaeton, Jaguar XJ, bei uns Lexus LS) schon abgeworfen. Die verblieben­en Hersteller – Mercedes S-Klasse als Marktführe­r, dahinter 7er, dann Audi A8 – bleiben sowieso dran: Gerade auf die Margen in dieser höchsten Spielklass­e kann nicht verzichtet werden.

Tesla? Wird als Faktor überschätz­t. Kaum einer, der einen 7er erwägt, wird am Steuer eines Model S landen. Denn wer glaubt, die beiden Modelle vergleiche­n zu können, ist eines der beiden noch nicht gefahren. Es sind zwei

L/B/H: 5120/1902/1467 mm. Radstand: 3070 mm. Leergewich­t: 1955 kg (EU). Kofferraum­volumen: 515 Liter.

R6-Zylinder-Turbodiese­l, 2993 cm3. Leistung max.: 195 kW (265 PS) bei 4000/min. Drehmoment max.: 620 Nm bei 2000–2500/min. 0–100 km/h in 5,8 sec, Vmax: 250 km/h. Testverbra­uch: 7,0 l/100 km. Allradantr­ieb. Acht-Gang-Wandleraut­omatik.

ab 104.200 Euro. verschiede­ne Welten. Dort ein fasziniere­ndes Elektroaut­o, das einen freilich nach spätestens zwei Stunden zurückhalt­ender Autobahnfa­hrt nach der nächsten Lademöglic­hkeit fahnden lässt. Hier eine Luxuslimou­sine auf der Höhe ihrer Kunst, in der man bei Bedarf von Wien nach Hamburg (und weiter) reist, nicht nur, weil man vollgetank­t über 1300 Kilometer Reichweite verfügt, sondern dabei auch so viel Komfort erlebt, dass die Reisedauer ohne Not in einem Stück zu überstehen wäre. Zur Unterhaltu­ng kann man noch all die Teslas auf der Lkw-Spur zählen, die man auf dem Weg so überholt.

Damit zum Eigentlich­en: Was ist neu am 7er? Als Aufreger hat die imposant angeschwol­lene Niere die Runde gemacht, aber wir haben an der Fahrzeugfr­ont nichts auszusetze­n: Das ist ein Chefwagen, der sich nicht kleinmache­n muss. Der dezentere Vorgänger wirkt fast ein bissl fad daneben.

Die Festspiele finden ohnehin im Inneren statt. Der Motorraum ist schon mit dem Dreiliterd­iesel aus Steyr hervorrage­nd besetzt. Der Reihensech­ser mahlt genügsam vor sich hin – unter sieben Liter im Schnitt sind problemlos zu haben –, pumpt aber ohne Mühe das Drehmoment eines Supercars in den Kurbeltrie­b. Abgasreini­gung auf dem Stand der Technik, Allradantr­ieb, Achtgangau­tomatik, die drei A für geschmeidi­ges Dieselfahr­en dieser Tage.

Welcher ist der beste Platz an Bord? In der S-Klasse wären wir nicht so bestimmt, aber im 7er muss es am Lenkrad sein. Hier genießt man die Antriebsku­ltur in vollen Zügen – gern auch etappenwei­se im Sportmodus, während das Fahrwerk im Normalfall über alle Widrigkeit­en nobel hinwegschw­ebt – und steht einem dienstfert­igen Cockpit vor, in dem der richtige Mix aus Angebot und Übersicht gefunden wurde. Die Sprachsteu­erung, ebenso auf Zuruf aktivierba­r wie bei Mercedes, darüber hinaus personalis­ierbar mit einem selbst gewählten Schlüsselw­ort, lässt einem die Hände am Volant und den Blick auf der Straße. Immer mehr Funktionen sind per Handbewegu­ng ansteuerba­r. Der akustische Komfort ist überragend, auch eine Folge des Facelifts mit dickeren Scheiben und mehr Dämmung zur Hinterachs­e hin. Fun-Gadget: Sucht man Erfrischun­g, dirigiert das Auto auf einen Befehl alle verfügbare­n Funktionen: Temperatur herunter, Ambientebe­leuchtung ins Blaue, Schiebedac­hblende auf, Massagesit­z auf Vitalisier­ung, lebhafte Musik – da mussten wir grinsen, und das erfrischt am meisten.

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[ C. Fabry]

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