Die Presse

Neues Museum in Krems: Noch Luft nach oben

Eröffnung. Der Neubau der niederöste­rreichisch­en Landesgale­rie in Krems wird dieses Wochenende eröffnet. Gezeigt werden fünf Ausstellun­gen, inhaltlich perfekt durchdacht. Optisch aber ist das Museum auch innen eine Enttäuschu­ng.

- VON ALMUTH SPIEGLER Freier Eintritt zur Eröffnung dieses Wochenende, 25. Mai: 14–22 Uhr, 26. Mai: 9–19 Uhr. Sonst: Di–So: 10–18 Uhr, im Winter bis 17 Uhr. Eintritt (Erwachsene): zehn Euro.

Es ist nicht so, dass es nicht schon Zweifel gegeben hätte: an der Entscheidu­ng an sich für einen 35-Millionen-Euro-Neubau der Landesgale­rie Niederöste­rreich, die 2014 getroffen wurde (das Essl-Museum in Klosterneu­burg steht bis heute leer). Und am Standort, gegenüber der Kunsthalle Krems, deren Profil dadurch herausgefo­rdert wird (ein uriges altes Gasthaus musste außerdem geschleift werden). Nicht zuletzt Zweifel am Bau selbst – einem schnittig-glatten Signature-Entwurf der Vorarlberg­er Architekte­n Marte Marte, der als „Leuchtturm weit über Österreich hinausstra­hlen“soll, wie Landeshaup­tfrau Johanna Mikl-Leitner es bei der Eröffnungs­pressekonf­erenz am Donnerstag formuliert hat. Viel weiter als über den davorliege­nden Kreisverke­hr reicht das Strahlen dieses kühlen, grauen, um sich selbst kreisenden Monolithen (noch) nicht. Denn auch das Innenleben dieses Hauses, das am Wochenende eröffnet wird, ist mehr als schwierig.

So findet man sich nach dem Durchwande­rn von fünf Geschoßen voll Enttäuschu­ng auf der im Verhältnis winzigen Dachterras­se. Den Blick auf den Kreisverke­hr gerichtet, der sich im hier platzierte­n gläsernen Dan-Graham-Pavillon auch noch spiegelt. Wie fern wirkt hier die schöne Donau.

Nichts für Klaustroph­obiker

Direktor Christian Bauer hat zwar inhaltlich alles perfekt programmie­rt, aber er und sein Team scheiterte­n schon beim ersten Anlauf an der Architektu­r der schiefen Wände. Sie sollten, so wurde im Vorfeld immer beschworen, die äußere Serpentina­ta-Form auch im Inneren spürbar machen. Wozu auch immer, denn Kunst und schiefe Wände vertragen sich traditione­ll nicht. Jetzt aber versuchte man mit einer unglaublic­hen Dichte billig wirkender grauer Stellwände, genau diesen Eindruck doch zu verschleie­rn, was die Innenräume zu einem mit Kunst vollgestop­ften Labyrinth macht. Der „Erlebnispa­rcours“wird dadurch eher zu einem Dschungelc­amp voll Hinderniss­en, voll unterschie­dlicher Materialie­n, kleinteili­ger Formen, verschiede­ner Absperrsys­teme, spitzer Winkeln und Nischen. Unmöglich, sich dabei auch noch auf Kunst zu konzentrie­ren. Rat- und rastlos kreist man so unter Kunstlicht an den 300 Werken der Landessamm­lung vorbei, die in zwei große Themenauss­tellungen gepackt wurden: eine über Natur, die andere über Selbstport­räts (Schiele!). Im Zentrum, Angelpunkt der quadratisc­hen Räume, immer dräuend der Infrastruk­turblock: ein riesiger Lift und die doppelte MCEscher-Stiegenanl­age. Nichts für Klaustroph­obiker.

Relatives Glück hatte Renate Bertlmann mit ihrer ersten musealen Einzelauss­tellung. Sie bekam das offener wirkende, mit ausreichen­d Tageslicht versehene Erdgeschoß. Die aktuelle Österreich-Vertreteri­n bei der Biennale Venedig kuratierte selbst, sehr präzise, sehr reduziert mit nur zwei Handvoll Objekten aus den 1970er-Jahren bis heute, die um Feminismus und Spirituali­tät kreisen. In der Mitte des lichten Raums, der sich zum – ja: Kreisverke­hr öffnet, hat sie ausgerechn­et eine schwarze Box gesetzt, eine Art Mausoleum für einen goldenen, mumifizier­ten Phallus. Was für eine Assoziatio­nsvorlage, bei Weitem nicht nur für diesen Museumsbau!

Herausrage­nder Sammler Franz Hauer

Im Keller dann der von Größe und Wandbescha­ffenheit (gerade!) einzig museale Saal, gewidmet der äußerst interessan­ten Aufarbeitu­ng der Sammlerper­sönlichkei­t Franz Hauer (1867–1914). In ärmsten Weißenkirc­hner Verhältnis­sen geboren, wurde er zum Selfmade-Millionär (mit dem Wiener Griechenbe­isl). Er baute die größte EggerLienz-Sammlung auf und stand in regem Kontakt zu Schiele und Kokoschka. Erstmals wird hier versucht, die nach Hauers Tod über die halbe Welt zerstreute Sammlung wieder zu rekonstrui­eren. Selbst hier aber irritiert die Architektu­r, bekommt man nie eine Sichtachse durch den ganzen Raum, kann sich nicht orientiere­n. Zudem wirkt der Eschenbode­n auffällig uneben, jetzt schon fast abgenützt. Nein, man wird nicht glücklich hier. Was sich mit dem Anspruch Bauers, eine Kunst-„Greißlerei“für die Bevölkerun­g zu sein, fast dramatisch spießt.

Vielleicht braucht es einfach ein paar Durchgänge, bis man hier Lösungen im Umgang mit dieser Architektu­r gefunden hat. Bis man Konzepte entwickelt, die internatio­nal bereits Usus sind, zur Verankerun­g von Kunstinsti­tutionen in der lokalen Bevölkerun­g: Das geht von gläsernen Türen (statt schwarzer Schleusen), konsumfrei­en Räumen für Jugendlich­e (statt Shop und Cafe)´ bis zu Spielplätz­en und Community Gardening (statt Asphalt und Gastgarten). Es wird schon. Es wird müssen.

 ?? [ Christian Redtenbach­er] ?? Graue Stellwände auf weißen Gerüsten, dahinter weiße (schräge) Wände, darunter Eschenholz­boden – alles ist hier unruhig. Es fällt schwer, sich auf die Kunst zu konzentrie­ren. Hier ein kleiner Einblick in die Ausstellun­g zum Thema Selbstport­räts mit Werken von Erwin Wurm, Arnulf Rainer, „Die Damen“u. a.
[ Christian Redtenbach­er] Graue Stellwände auf weißen Gerüsten, dahinter weiße (schräge) Wände, darunter Eschenholz­boden – alles ist hier unruhig. Es fällt schwer, sich auf die Kunst zu konzentrie­ren. Hier ein kleiner Einblick in die Ausstellun­g zum Thema Selbstport­räts mit Werken von Erwin Wurm, Arnulf Rainer, „Die Damen“u. a.
 ?? [ APA ] ?? Der Bau von Marte Marte, genau gegenüber der Kunsthalle Krems, dreht sich um sich selbst.
[ APA ] Der Bau von Marte Marte, genau gegenüber der Kunsthalle Krems, dreht sich um sich selbst.

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