Neues Museum in Krems: Noch Luft nach oben
Eröffnung. Der Neubau der niederösterreichischen Landesgalerie in Krems wird dieses Wochenende eröffnet. Gezeigt werden fünf Ausstellungen, inhaltlich perfekt durchdacht. Optisch aber ist das Museum auch innen eine Enttäuschung.
Es ist nicht so, dass es nicht schon Zweifel gegeben hätte: an der Entscheidung an sich für einen 35-Millionen-Euro-Neubau der Landesgalerie Niederösterreich, die 2014 getroffen wurde (das Essl-Museum in Klosterneuburg steht bis heute leer). Und am Standort, gegenüber der Kunsthalle Krems, deren Profil dadurch herausgefordert wird (ein uriges altes Gasthaus musste außerdem geschleift werden). Nicht zuletzt Zweifel am Bau selbst – einem schnittig-glatten Signature-Entwurf der Vorarlberger Architekten Marte Marte, der als „Leuchtturm weit über Österreich hinausstrahlen“soll, wie Landeshauptfrau Johanna Mikl-Leitner es bei der Eröffnungspressekonferenz am Donnerstag formuliert hat. Viel weiter als über den davorliegenden Kreisverkehr reicht das Strahlen dieses kühlen, grauen, um sich selbst kreisenden Monolithen (noch) nicht. Denn auch das Innenleben dieses Hauses, das am Wochenende eröffnet wird, ist mehr als schwierig.
So findet man sich nach dem Durchwandern von fünf Geschoßen voll Enttäuschung auf der im Verhältnis winzigen Dachterrasse. Den Blick auf den Kreisverkehr gerichtet, der sich im hier platzierten gläsernen Dan-Graham-Pavillon auch noch spiegelt. Wie fern wirkt hier die schöne Donau.
Nichts für Klaustrophobiker
Direktor Christian Bauer hat zwar inhaltlich alles perfekt programmiert, aber er und sein Team scheiterten schon beim ersten Anlauf an der Architektur der schiefen Wände. Sie sollten, so wurde im Vorfeld immer beschworen, die äußere Serpentinata-Form auch im Inneren spürbar machen. Wozu auch immer, denn Kunst und schiefe Wände vertragen sich traditionell nicht. Jetzt aber versuchte man mit einer unglaublichen Dichte billig wirkender grauer Stellwände, genau diesen Eindruck doch zu verschleiern, was die Innenräume zu einem mit Kunst vollgestopften Labyrinth macht. Der „Erlebnisparcours“wird dadurch eher zu einem Dschungelcamp voll Hindernissen, voll unterschiedlicher Materialien, kleinteiliger Formen, verschiedener Absperrsysteme, spitzer Winkeln und Nischen. Unmöglich, sich dabei auch noch auf Kunst zu konzentrieren. Rat- und rastlos kreist man so unter Kunstlicht an den 300 Werken der Landessammlung vorbei, die in zwei große Themenausstellungen gepackt wurden: eine über Natur, die andere über Selbstporträts (Schiele!). Im Zentrum, Angelpunkt der quadratischen Räume, immer dräuend der Infrastrukturblock: ein riesiger Lift und die doppelte MCEscher-Stiegenanlage. Nichts für Klaustrophobiker.
Relatives Glück hatte Renate Bertlmann mit ihrer ersten musealen Einzelausstellung. Sie bekam das offener wirkende, mit ausreichend Tageslicht versehene Erdgeschoß. Die aktuelle Österreich-Vertreterin bei der Biennale Venedig kuratierte selbst, sehr präzise, sehr reduziert mit nur zwei Handvoll Objekten aus den 1970er-Jahren bis heute, die um Feminismus und Spiritualität kreisen. In der Mitte des lichten Raums, der sich zum – ja: Kreisverkehr öffnet, hat sie ausgerechnet eine schwarze Box gesetzt, eine Art Mausoleum für einen goldenen, mumifizierten Phallus. Was für eine Assoziationsvorlage, bei Weitem nicht nur für diesen Museumsbau!
Herausragender Sammler Franz Hauer
Im Keller dann der von Größe und Wandbeschaffenheit (gerade!) einzig museale Saal, gewidmet der äußerst interessanten Aufarbeitung der Sammlerpersönlichkeit Franz Hauer (1867–1914). In ärmsten Weißenkirchner Verhältnissen geboren, wurde er zum Selfmade-Millionär (mit dem Wiener Griechenbeisl). Er baute die größte EggerLienz-Sammlung auf und stand in regem Kontakt zu Schiele und Kokoschka. Erstmals wird hier versucht, die nach Hauers Tod über die halbe Welt zerstreute Sammlung wieder zu rekonstruieren. Selbst hier aber irritiert die Architektur, bekommt man nie eine Sichtachse durch den ganzen Raum, kann sich nicht orientieren. Zudem wirkt der Eschenboden auffällig uneben, jetzt schon fast abgenützt. Nein, man wird nicht glücklich hier. Was sich mit dem Anspruch Bauers, eine Kunst-„Greißlerei“für die Bevölkerung zu sein, fast dramatisch spießt.
Vielleicht braucht es einfach ein paar Durchgänge, bis man hier Lösungen im Umgang mit dieser Architektur gefunden hat. Bis man Konzepte entwickelt, die international bereits Usus sind, zur Verankerung von Kunstinstitutionen in der lokalen Bevölkerung: Das geht von gläsernen Türen (statt schwarzer Schleusen), konsumfreien Räumen für Jugendliche (statt Shop und Cafe)´ bis zu Spielplätzen und Community Gardening (statt Asphalt und Gastgarten). Es wird schon. Es wird müssen.