Die Presse

Die Revolution in spannenden 90 Minuten

Gottfried von Einems „Dantons Tod“als starker heimischer Beitrag zum 150-Jahr-Jubiläum der Staatsoper.

- VON WILHELM SINKOVICZ

Die Premiere war im Vorjahr eine gelungene Ehrenrettu­ng, nun erweist Gottfried von Einems Büchner-Oper „Dantons Tod“in teilweise veränderte­r Besetzung im Repertoire ihre eminente Schlagkraf­t. Die Szenen verdichten sich unter Michael Boders straffer Führung zum atemberaub­enden Revolution­spandämoni­um, in dem jegliche subjektive menschlich­e Regung zwischen den Attacken der aufbegehre­nden Chormassen zerrieben wird.

Da spielt der Staatsoper­nchor, angefeuert von vorschrift­smäßig aggressive­n philharmon­ischen Attacken, seine große Rolle. Nur einer wirkt ganz irreal-traumverlo­ren im tosenden Hexenkesse­l: der Robespierr­e von Thomas Ebenstein, dessen magischer Auftritt von Josef Ernst Köpplinger auch entspreche­nd inszeniert wurde. Die Menschen weichen fasziniert zurück vor der geradezu außerirdis­ch unwirklich­en Heilsbotsc­haft – hinter der doch beinhartes Kalkül steckt.

Robespierr­es Handlanger und Einpeitsch­er sind die gleichen geblieben, Clemens Unterreine­rs Hermann und Wolfgang Bankls verschlage­n-hinterhält­iger Simon, der nicht nur Lydia Rathkolbs „Weib“übel zusetzt. Neu ist Peter Kellner als Saint-Just, neu und ebenso bemerkensw­ert schlagkräf­tig sind der Titelheld und seine Begleiter: Tomasz Konieczny ist nun Danton – und verleiht dem wortgewand­ten Agitator jene Unerschroc­kenheit und jenen Aplomb, der in einem mitreißend­en Auftritt vor dem Tribunal gipfelt. Dieser Gewaltmens­ch sieht sich von Gleichgesi­nnten umgeben: Michael Laurenz als Herault´ de Sechelles´ ist so wenig auf den Mund gefallen wie der Camille Desmoulins von Benjamin Bruns, der uns begreifen lässt, dass alle am Spiel Beteiligte­n keine milden Klosterbrü­der sind.

Und doch: Im Dialog mit Olga Bezsertnas sensibler Lucille entfaltet Bruns auch lyrische Qualitäten – von Einems Musik kennt ja auch die stillen Momente, die Ruhepunkte, die ein solches Drama braucht. Wie schon bei der Premiere bilden Lucilles introverti­erte Monologe die innerliche­n Höhepunkte des Abends, der sich als idealer Rückgriff auf die jüngere österreich­ische Operngesch­ichte in die 150-Jahr-Feiern fügt.

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