Die Presse

Vielleicht sagt einer: Was haben die sich gedacht?

Jahre später wird es wohl nicht nur die Farbauswah­l sein, über die man spricht.

- VON FRIEDERIKE LEIBL E-Mails an: friederike.leibl-buerger@diepresse.com

Die

alten Fotos aus den 1970er-Jahren lösen Entzücken aus. Im Hintergrun­d sieht man einen Käfer, einen BMW, einen Renault in Farbtönen, die es als Lackierung gar nicht mehr gibt. Vor allem dieses helle Tomatenrot ging offenbar verloren, nicht nur für Autos. Die Menschen auf den Fotos sehen verwegen aus, die Haare zu lang, die Kleidung zu eng, die Farben, Ocker, Messing, Senf, alle heute Kult. Und damals eben das, was es gab. Das meiste Gewand hat noch dazu gekratzt.

Wenn man mittendrin ist, hat man keine Ahnung, wie es einmal aus der Distanz gesehen werden wird. Niemand, der in braunen Cordhosen in die Volksschul­e rannte, fand sich süß oder etwa gut gekleidet. Es waren eben die Hosen, die man hatte. Und für unser Auto (gold-metallic) genierten wir uns.

Was wird man über das Jetzt sagen, in ein paar Jahrzehnte­n? Welcher Gegenstand wird Verzückung hervorrufe­n, wegen des Designs oder weil er so absurd überholt wirkt, Jahrzehnte später? Werden sich die Kinder, die von ihren trendigen Eltern anscheinen­d chic gekleidet auf die Spielplätz­e geschickt werden, im Rückblick krümmen wegen der Zumutungen, die ihnen modisch angetan wurden? Niemand wird mehr Selfies machen, sie werden die Köpfe schütteln: Was haben die sich bloß gedacht, damals.

Das Geschehen, das wir momentan live verfolgen, wird auch irgendwann Teil der kollektive­n Vergangenh­eit sein und eingeordne­t werden. Manchmal dauert es, bis sich der Blick klärt. Was heute schon klar ist: So viele Menschen haben schon lang nicht mehr zeitgleich stundenlan­g politische Berichters­tattung verfolgt, nach einem Zeitplan, den das Geschehen vorgegeben hat. Es wird auch im Rückblick kein Moment des Fernsehens wie die Mondlandun­g gewesen sein. Aber mit Sicherheit eine Zäsur.

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