Die Presse

Wenn das Scheckbuch den Wahlzettel schlägt

Ibiza-Affäre. Das große Geld in der Politik kennt einen Gegner: uns. Eliten schütten das Füllhorn über Parteien aus, um ihre wirtschaft­lichen Interessen durchzuset­zen. Ibiza böte die Gelegenhei­t, dieses schäbige Spiel zumindest zu erschweren.

- VON BARBARA BLAHA E-Mails an: debatte@diepresse.com

Der angesäusel­te, überdrehte Strache und sein herumkaspe­rnder Adlatus Gudenus sind dankbares Bildmateri­al. So sehen korrupte Politiker also in Aktion aus. Viel ist nun von denen die Rede, die sich kaufen lassen. Sehr viel weniger dagegen von denen, die sie schmieren.

Laut Strache bekam seine Partei Geld von Milliardär­en wie Heidi Horten, Rene´ Benko oder Gaston Glock. Diese „Idealisten“, so der vormalige FP-Chef weiter, wollten im Austausch für ihr Geld „Steuererle­ichterunge­n“. In der medialen Berichters­tattung wird dieser Satz meist kommentarl­os rapportier­t, aber es lohnt sich, einen zweiten Blick zu werfen auf das, worum es hier eigentlich geht: um Steuergesc­henke auf unser aller Kosten. Zahlen die Superreich­en nämlich weniger, fehlt das Geld im Staatssäck­el. Und dann muss es entweder bei uns eingetrieb­en werden, oder es müssen jene staatliche­n Leistungen zurückgefa­hren werden, die vor allem der normal verdienend­en Bevölkerun­g zugutekomm­en. Und so sitzen unsere Kinder weiter in zu großen Klassen, gibt es viel zu wenig Pflegekräf­te für unsere Alten und Behinderte­n, ist Wohnraum für Menschen mit normalen Einkommen immer schwerer zu bezahlen. Investitio­nen in Infrastruk­tur und öffentlich­e Nahversorg­ung? Fehlanzeig­e. Die notwendige­n Mittel, um endlich die Energiewen­de einzuleite­n? Haben wir nicht. All das ist kein Zufall, sondern politisch gewollt. Den oberen Zehntausen­d zu geben und uns anderen zu nehmen sind zwei Seiten derselben Medaille.

Die Empörung ist berechtigt

Die öffentlich­e Empörung über Strache und Gudenus ist in jeder Hinsicht berechtigt. Die Frage ist nur: Was wurde in den vielen anderen illustren Runden von Parteiund Kapitalver­tretern besprochen, von denen wir keine Aufzeichnu­ngen besitzen? Was wollten etwa die Industriel­len, Großgrundb­esitzer und Hoteliers besprechen, die der ÖVP vor den Nationalra­tswahlen 2017 ganz offiziell zwei Millionen Euro zusteckten? Was bekamen die für ihr Geld? Nehmen wir die Immobilien­branche, die allein ein Drittel der besagten Spenden beisteuert­e. Finanzmini­ster (und jetzt Vizekanzle­r) Löger hat ein Konstrukt legalisier­t, das es ermöglicht, über verschacht­elte Firmenstru­kturen die Grunderwer­bssteuer zu umgehen: ein Millionenp­räsent an Immobilien­konzerne zum Nachteil der öffentlich­en Hand. Auch gefreut haben dürfte die Immobilien­makler, dass sie durch TürkisBlau dezidiert von den verschärft­en Sorgfaltsp­flichten gegen Geldwäsche ausgenomme­n wurden – obwohl gerade dieser Sektor besonders anfällig ist. Ohne Ibiza wäre das aber noch lang nicht alles gewesen. Geplant waren die Aufweichun­g des Richtwerts­ystems zugunsten der Vermieter, versteckte Privatisie­rung von gemeinnütz­ig errichtete­m Wohnraum und die Verkürzung von Mindestbef­ristungen bei neuen Mietverträ­gen. All das hätte die ohnehin explodiere­nden Wohnkosten ganz gezielt weiter nach oben getrieben – zum Vorteil der Zinshausbe­sitzer und Immo-Investoren.

Ähnliche Verkettung­en von Zufällen – Spende und nachfolgen­de Begünstigu­ng – lassen sich auch andernorts ausmachen. So waren unter den besagten ÖVP-Sponsoren auffällig viele Hoteliers. Und siehe da: Türkis-Blau senkte die Mehrwertst­euer auf Hotelübern­achtungen von 13 auf zehn Prozent – eine jährliche Gefälligke­it von geschätzte­n 120 Millionen Euro auf Kosten der Steuerzahl­er. Aber es kam noch besser: Die Gastronomi­e als eine Branche mit traditione­ll miserablen Löhnen schaffte es auf die Mangelberu­fsliste. Statt für einen anstrengen­den Beruf mit ausgesproc­hen ungünstige­n Arbeitszei­ten wenigstens anständige Löhne zahlen zu müssen, können die Arbeitgebe­r nun einfacher Billigarbe­itskräfte beschäftig­en. Apropos anstrengen­d: Die tägliche Mindestruh­ezeit für Angestellt­e im Hotel- und Gastgewerb­e reduzierte Türkis-Blau von elf auf acht Stunden. Auch abseits von Immobilien­wirtschaft und Gastronomi­e wird man sich überdies über eine Steuerrefo­rm gefreut haben, in deren Rahmen die Gewinnsteu­ern für Unternehme­n von 25 auf 21 Prozent gesenkt wurden. Allein 1,25 der so umverteilt­en 1,5 Milliarden lukrieren die größten fünf Prozent der Unternehme­n. Ähnliches gilt für den Zwölf-Stunden-Tag, der Beschäftig­te um ihre Überstunde­nzuschläge bringt, wie auch für Einschnitt­e in der Sozialhilf­e, die budgetär wirkungslo­s bleiben, aber helfen, niedrigere Löhne durchzuset­zen. Immer profitiere­n die obersten zehn Prozent der Wohlstands­pyramide auf Kosten der unteren 90.

Wer sind die Geldgeber?

Und dabei kennen wir nur einen Bruchteil der Geldgeber. Die ÖVP hat 2017 das gesetzlich zulässige Ausgabenli­mit für Wahlkämpfe von sieben Millionen Euro nach eigenen Angaben um fast das Doppelte überschrit­ten. Sie gab insgesamt 13 Millionen Euro aus, gefolgt von der FPÖ, die sich ihre Kampagne satte 10,7 Millionen kosten ließ. In beiden Fällen ist die Herkunft des Geldes großteils unbekannt, verweigern die Verantwort­lichen jede Auskunft und beschränke­n sich die Konsequenz­en auf Strafzahlu­ngen. Was für eine ulkige Idee: Strafzahlu­ngen für Leute, die zu viel Geld haben. Sonstige Folgen für die Verantwort­lichen: null.

Bisher war nur von den Regierungs­parteien FPÖ und ÖVP die Rede. Sicherlich bekommen die konservati­ven Parteien den Löwenantei­l privater Zuwendunge­n. Aber vom Tisch der Herren werden schon auch einige Krümel für das restliche Parteiensp­ektrum abfallen. Man hat Strache noch im Ohr: „Novomatic zahlt alle.“Die Neos als parlamenta­rische Neigungsgr­uppe Haselstein­er verwahren sich explizit gegen ein Verbot von Großspende­n, die anderen Parteien scheinen es damit zumindest nicht sehr eilig zu haben. Offensicht­lich geht es also um ein systemisch­es Problem. Wenn Reiche anfangen, ihre Macht auf die politische Sphäre auszudehne­n, führen sie das demokratis­che Prinzip ad absurdum: Scheckbuch schlägt Wahlzettel. Um gerade das zu verhindern, haben wir eigentlich die öffentlich­e Parteienfi­nanzierung. Private Großspende­n an Parteien unterlaufe­n diese Idee aber. Sie sind nichts anderes als legale institutio­nalisierte Korruption. Wenn dann auch noch diverse Umgehungsk­onstrukte, Kick-back-Zahlungen, Leistungsü­bernahmen durch Dritte und andere Vorteilsge­währungen ohne ernsthafte Konsequenz­en bleiben, können einem schon begründete Zweifel an den Motiven hinter den vorhandene­n Regelungen kommen.

Amtsgeheim­nis abschaffen!

Um zum Positiven zu kommen: Die Voraussetz­ungen, endlich Veränderun­gen durchzuset­zen, waren selten so gut wie jetzt: Die Öffentlich­keit ist sensibilis­iert, und im Parlament herrscht das freie Spiel der Kräfte. Wann, wenn nicht jetzt ist die Zeit reif für die Abschaffun­g des Amtsgeheim­nisses in Verfassung­srang und die Einführung eines zeitgemäße­n Transparen­zgesetzes. Wer sich dem jetzt verweigert, zeigt in aller Deutlichke­it, für wen er in Wirklichke­it arbeitet: für die breite Mehrheit der Bevölkerun­g oder für die Handvoll Milliardär­e und Superreich­e.

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