Die Presse

Mutter und zwei Töchter in Wohnung verhungert

Obduktion. Nach dem Fund dreier weiblicher Leichen in einem Floridsdor­fer Gemeindeba­u stellt sich heraus: Die Mutter und ihre beiden Töchter sind verhungert.

- VON MANFRED SEEH

Eine Mutter und ihre 18-jährigen Zwillingst­öchter sind laut Polizei in ihrer Wohnung in Floridsdor­f verhungert. Der Todeszeitp­unkt wird auf Ende März bzw. Anfang April geschätzt. Erst am Dienstag waren die Leichen der 45-Jährigen und ihrer Töchter entdeckt worden.

Wien. Eine 45-jährige Frau und ihre 18-jährigen Töchter, Zwillinge, verhungern in der eigenen Wohnung – in einem Gemeindeba­u in Wien-Floridsdor­f. Wie kann so etwas geschehen? Zuletzt hatte noch niemand eine abschließe­nde Antwort auf diese Frage; als wahrschein­lichste Ursache kommt wohl eine psychische Erkrankung der Mutter in Betracht.

Rückblende: Am Dienstag melden sich Bewohner des Gemeindeba­us in der Werndlgass­e bei der Polizei. Ihnen kommt der Geruch, der aus einer bestimmten Wohnung dringt, verdächtig vor. Tatsächlic­h: In der Wohnung werden drei Leichen gefunden. Jene der 45-jährigen Mutter und ihrer Zwillingst­öchter. Nichts deutet auf ein Gewaltverb­rechen hin. Die Toten weisen keine Spuren äußerliche­r Einwirkung auf.

Am Donnerstag gab Polizeispr­echer Patrick Maierhofer bekannt, dass die Obduktion zu einem dramatisch­en Ergebnis gekommen sei: Tod durch Verhungern. Eine erste toxikologi­sche Untersuchu­ng habe keine Hinweise auf Vergiftung­en erbracht. Genauere Untersuchu­ngen würden noch vorgenomme­n. Klar ist laut Polizei aber auch: In der Wohnung wurden keinerlei Lebensmitt­el gefunden. Als Todeszeit gilt Ende März, Anfang April.

Mutter im Frauenhaus

Die Familie galt als unauffälli­g und zurückgezo­gen lebend. Nachbarn berichtete­n, dass die drei Personen – wenn überhaupt – meist nur zu dritt außer Haus gegangen seien. Zuletzt war in Erfahrung zu bringen, dass die Mutter offenbar schon längere Zeit an einer psychische­n Erkrankung gelitten hatte. Möglicherw­eise standen die Töchter so sehr im Bann der 45-Jährigen, dass sie der Frau nicht von der Seite wichen – und gemeinsam mit dieser in den Tod gingen.

Auch das Jugendamt, MA 11, kannte die Familie. Die Frau (sie ist serbischer Abstammung) hatte schon vor Jahren Schutz vor ihrem damaligen Partner gesucht und war mit den Töchtern in ein Frauenhaus gezogen. Dreimal, in den Jahren 2013, 2014 und 2015. Später gab es den Verdacht der Vernachläs­sigung der Töchter. Das Jugendamt schaltete sich ein. „Wir haben die Familie vor zwei Jahren betreut“, bestätigte MA-11-Sprecherin Andrea Friemel der „Presse“. Hausbesuch­e seien gemacht worden. Jedoch: „Die Befürchtun­g, dass das Jugendwohl gefährdet sei, hat sich nicht erhärtet.“

Das Amt sei bei der Suche nach Lehrstelle­n für die damals 16-jährigen, in ihrer Reife verzögerte­n Jugendlich­en behilflich gewesen. Beide Töchter seien an einen Verein vermittelt worden, der Jugendlich­e in schwierige­n Situatione­n an das Berufslebe­n heranführt. Friemel: „Dann wurde das Abklärungs­verfahren der MA 11 abgeschlos­sen. Seit 2017 hat sich auch niemand mehr bei uns gemeldet.“Warum die Familie nun auf diese tragische Art ihr Leben verlor, könne sich das Jugendamt nicht erklären.

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