Die Presse

Das Strache-Video prägte das deutsche Wahlkampff­inale

Deutschlan­d. Auf den letzten Metern ging es viel um Wien und Ibiza. Am Sonntag könnte es in Deutschlan­d aber viele Verlierer geben.

-

21 Uhr, Prime Time in der ARD. Die Chefs aller sieben im Bundestag vertretene­n Parteien stehen an den Rednerpult­en. Das kommt selten vor. Es sollte um die EUWahl gehen. Doch zunächst reden alle nur über Österreich. Das war am Montag. Und so ging das weiter. Die Berichters­tattungen und Talkshows zur deutschen EU-Wahl drehten sich viel um den von deutschen Medien enthüllten Ibiza-Stoff – und welche Auswirkung­en er auch auf die AfD haben könnte.

Die deutschen Rechtspopu­listen hatten die FPÖ immer wieder als ihr großes Vorbild genannt. Ihr Ko-Chef Jörg Meuthen tat das Video dann als „singulären Vorfall“ab, sein Ko-Vorsitzend­er, Alexander Gauland, sagte in einer weiteren Talkshow zu Österreich, nämlich bei „Maybrit Illner“: „Ich kann doch nicht das Fehlverhal­ten eines Menschen der Partei anlasten.“

Die AfD selbst hat seit Monaten mit einer Spendenaff­äre zu kämpfen. Der Verfassung­sschutz stufte zudem den Rechtsauße­n-Flügel der Partei als sogenannte­n Verdachtsf­all ein. Man steht jetzt unter Beobachtun­g. Ob sich das am Wahltag auswirkt, ist ungewiss. Bei rund zwölf Prozent lag die AfD zuletzt in den Umfragen, die bekannterm­aßen einen Euro-Austritt und die Abschaffun­g des EU-Parlaments fordert. Eine überwältig­ende Mehrheit der Deutschen will weder das eine noch das andere. Und doch könnte es am Wahlsonnta­g zu tektonisch­en Verschiebu­ngen in der Parteienla­ndschaft kommen: Die Grünen haben beste Chancen, bei einer bundesweit­en Wahl die SPD zu überholen und auf Platz zwei vorzustoße­n. In der SPD rumort es. Die glücklose Parteichef­in, Andrea Nahles, steht unter Druck, vor allem dann, wenn es bei der zeitgleich­en Bürgerscha­ftswahl in Bremen ein Debakel setzt (siehe Seite 8).

Auch der andere Teil der Koalition, die Union aus CDU/CSU, schwächelt in den Umfragen (28 bis 30 Prozent). Es ist der erste Wahlkampf und damit die erste Bewährungs­probe für Annegret Kramp-Karrenbaue­r als CDU-Chefin. Dass die Union den europaweit­en Spitzenkan­didaten der Europäisch­en Volksparte­i (EVP) mit Manfred Weber stellt, hat ihr bisher keinen Umfragesch­ub gebracht. Auch ihr drohen Verluste. Die SPD hatte Weber zudem wegen des gemeinsame­n Wahlkampfs mit Kanzler Sebastian Kurz scharf angegriffe­n, weil der sich auf eine Koalition mit der FPÖ eingelasse­n hatte. Beim EVP-Wahlkampff­inale in München war Kurz dann aber ohnehin verhindert. (strei)

Newspapers in German

Newspapers from Austria