Die Presse

Wie eine Anzeige Erdo˘gans Rivalen ausstechen soll

Das Vorgehen gegen die CHP in Istanbul könnte nach hinten losgehen.

- VON WIELAND SCHNEIDER wieland.schneider@diepresse.com

D ass in Wahlkämpfe­n mit harten Bandagen gekämpft wird, ist nichts Ungewöhnli­ches. Doch was nun in Istanbul passiert, ist sogar für die Verhältnis­se in der Türkei deftig: Die Staatsanwa­ltschaft fordert eine langjährig­e Haftstrafe für die Vorsitzend­e der Opposition­spartei CHP in Istanbul, Canan Kaftancıog­lu˘ – wegen angebliche­r „Terrorprop­aganda“und „Beleidigun­g des Staatspräs­identen“.

Der wahre Grund für die Anklage ist aber simpler: In der Partei des Präsidente­n, Recep Tayyip Erdogan,˘ hat man offenbar Angst – davor, dass Kaftancıog­lu˘ erneut in Istanbul einen erfolgreic­hen Wahlkampf für den CHPBürgerm­eisterkand­idaten Ekrem ˙Imamoglu˘ organisier­t. Angst, die wichtige Metropole endgültig an die Opposition zu verlieren.

Es ist nicht das erste Mal, dass Erdogan˘ und seine Regierungs­partei das mächtige Instrument Justiz missbrauch­en, um gegen politische Rivalen vorzugehen. So sitzen etwa Parteichef Selahattin Demirtas¸ und zahlreiche weitere Funktionär­e der linken, prokurdisc­hen HDP seit Jahren im Gefängnis.

Die prokurdisc­he Partei war noch ein einfachere­s Opfer. Beim Angriff auf sie hatten auch viele in der CHP weggeschau­t oder ihn sogar unterstütz­t. Doch wenn Erdogan˘ die Justiz nun auf die CHP jagen will, hat er sich einen weit größeren Fisch ausgesucht. Gerade in Istanbul könnte das für ihn nach hinten losgehen.

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