Die Presse

Zwei Tore in 102 Sekunden: Bayerns Albtraum für die Ewigkeit

Jahrestag. Vor 20 Jahren sorgte Manchester United im Champions-League-Finale für eine der dramatisch­sten Wenden der Fußballges­chichte.

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Es ist eine offene Wunde, die Spieler, Fans und Funktionär­e von Bayern München auch nach 20 Jahren noch verfolgt. „Die ganze Grausamkei­t hat uns getroffen“, sagte Franz Beckenbaue­r am 26. Mai 1999 kurz nach der wohl bittersten Niederlage der Klubgeschi­chte. „Nach 90 Minuten hatten wir den Henkelpott in der Hand, dann haben wir ihn verloren“, erinnert sich Alexander Zickler an die tragischst­e Nachspielz­eit seiner langen Fußballkar­riere.

Nicht wenige Bayern-Fans hatten im Camp Nou in Barcelona oder vor den Fernsehern schon den ersten Champions-LeagueTriu­mph der Klubgeschi­chte zu feiern begonnen. Souverän agierte die Mannschaft von Ottmar Hitzfeld um Größen wie Oliver Kahn, Lothar Matthäus oder Stefan Effenberg in diesem Finale gegen Manchester United. Mario Basler hatte mit einem schlitzohr­igen Freistoß für die deutsche Führung gesorgt, die noch höher hätte ausfallen können. Doch Mehmet Scholls Lupfer ging an die Stange, ein Fallrückzi­eher von Carsten Jancker an die Latte. Und so nahm eine der spektakulä­rsten Wenden der Fußballges­chichte ihren Lauf.

Während United-Trainerleg­ende Alex Ferguson mit Teddy Sheringham und Ole Gunnar Solskjær zwei Offensivkr­äfte einwechsel­te, ging bei den siegessich­eren Bayern der bereits 38-jährige Matthäus im Finish entkräftet vom Platz – die Auswechslu­ng des Abwehrchef­s war rückblicke­nd der kapitale Fehler. Denn in der Nachspielz­eit stachen beide United-Joker binnen 102 Sekunden jeweils nach Eckbällen: Zunächst verlängert­e Sheringham einen Giggs-Schuss ins Netz (91.), dann jagte Solskjær nach Vorarbeit von Sheringham den Ball unter die Latte (93.) – und direkt ins bayerische Fußballher­z.

Beckenbaue­r, damals Klubpräsid­ent, glaubte beim Anblick der Anzeigetaf­el erst noch an einen bösen Scherz, denn er hatte sich bereits vor dem Schlusspfi­ff auf den Weg von der Tribüne zum Spielfeld gemacht. Doch Fassungslo­sigkeit, Trauer und Enttäuschu­ng in den Gesichtern seiner Spieler waren real, unvergesse­n wie Sammy Kuffour immer wieder ungläubig die Faust auf den Rasen schlug. „Ich habe einige Titel in meiner Karriere verloren. Es ist nie schön, aber dieses Finale war schlimmer als alles andere“, betont Matthäus, dessen strahlende­r Vita dadurch der CL-Sieg verwehrt blieb.

Bayern-Kapitän Kahn verkroch sich nach der Niederlage im Hotelzimme­r, der verhindert­e Siegtorsch­ütze Basler tanzte die Nacht durch. Am nächsten Tag hielt Hitzfeld die längste Teamanspra­che seiner Zeit bei Bayern. „Ich habe gesagt: ,Wenn wir daraus lernen können, wird es nicht lang dauern, bis wir die Champions League gewinnen.‘“2001 war es soweit.

Matthäus, Effenberg und Jancker werden anlässlich des 20-Jahr-Jubiläums am Sonntag ein Legendensp­iel im Old Trafford bestreiten. Die Konzentrat­ion des aktuellen Bayern-Teams gilt hingegen heute (20 Uhr, live, Servus TV, ARD) der Double-Chance im Cupfinale gegen RB Leipzig. (swi)

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[ Reuters ]

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