Frau, Mann, Kühlschrank
IWer traf wen? Die Gedichtbände der Autorin? Die frühen Prosawerke des Autors? Sein letzter Roman, der Ort der Handlung?
Qnnerhalb weniger Jahre veröffentlichte der Mann zwei Romane und ein halbes Dutzend Prosabände. Die Frau sprach deshalb von einer Sternstunde in der neueren Literatur und war überzeugt, dass seine Prosa über jene Becketts weit hinausginge. Für ihn wiederum war sie „die intelligenteste und bedeutendste Dichterin“des Landes.
Die beiden hatten voneinander schon länger gewusst, sie hatten nur kaum je miteinander zu tun gehabt. Daher ist ihre Begegnung in der Literaturgeschichte bis heute wenig bekannt. Er hatte Zuflucht auf dem Land gesucht und ein Anwesen erworben. Er nannte dieses eine „Ruine“, die er jahrelang fast ganz allein renovierte. Die Frau war als einer der ersten Gäste zu Besuch in dieser „Ruine“. Der Bauernhof stand noch vollkommen leer, der einzige Gegenstand darin: ein Kühlschrank. Wohl angetan von der Gegend, spielte die Frau kurz mit dem Gedanken, sich selbst dort niederzulassen. Das allerdings hätte ihn naturgemäß gestört. Gleichwie er ihre Nähe nicht ertragen hätte, empfand er zeitlebens eine tiefe Verehrung. Indes ist nichts weiter über nachfolgende Begegnungen bekannt.
Im Unterschied zu dem Mann, der mit seinem Heimatstaat ständig und in starkem Konflikt lebte, verließ sie eines Tages das Land. „Sie war fortwährend auf der Flucht gewesen“, schrieb er später. Eine Rückkehr wäre immer wieder an der „Geistlosigkeit der Wiener Behörden gescheitert“.
Die Stadt, in der die Dichterin schließlich den Rest ihres Lebens verbrachte und starb, diente dem Schriftsteller als Schauplatz für seinen letzten Roman; in dem Buch setzte er ihr ein berührendes Denkmal. Außerdem gelang im Roman, was in der Wirklichkeit wohl nicht hätte glücken können: eine Freundschaft ohne räumliche Distanz. Der Ich-Erzähler bekundet darin: Mit ihr gemeinsam, die er „meine Dichterin“nannte, der fantasievollen, großen, sei immer „ein Glückszustand“gegeben. Im Roman ist sie „die einzige Frau, mit welcher ich einen Kontakt wirklich pflegte, zu der zu gehen ich jede Woche ein Bedürfnis gehabt habe, die ganze Zeit“.
Das Buch erschien 13 Jahre nach ihrem und drei Jahre vor seinem Tod.