Auch ohne Wände geht mehr, als man glaubt
Lofts. Sie sind nicht nur für Singles, Städter und Menschen da, die keinen Ausblick brauchen.
Avantgardistische Künstler haben eins, Film-Privatdetektive vom Typ Einsamer Wolf, und Junggesellen, die auch solche bleiben wollen, sowieso: Wenige Wohnformen sind so klischeebehaftet wie Lofts. Die luftigen Unterkünfte zeichnen sich durch wenige Wände und viel Platz nach oben aus, haben in ihrer reinen Form – die aber nur selten vorkommt – lediglich vor der Nasszelle eine Tür. Gern zeichnen sie sich außerdem durch einen industriellen Charme aus, der sich in rohen Ziegelwänden und industriellen Holzböden manifestiert sowie dadurch gekennzeichnet ist, dass sie nicht in den klassischen Nobellagen, sondern eher in den Hinterhöfen einstiger Produktionsstätten zu finden sind.
Soweit die Theorie, die Praxis sieht anders aus. Und das meint nicht all jene Wohnungen, die im ersten Satz des Exposes´ das Wort „loftartig“aufweisen, um diese Charakterisierung dann mit „vier Zimmern und drei Bädern“gleich wieder ad absurdum zu führen. In dem weiten Feld zwischen reiner Lehre und dem Irrtum, dass jede offene Küche schon ein Loft macht, finden sich die unterschiedlichsten Varianten für die verschiedensten Wohnansprüche. Mit dem Klischee, dass durch das Vorhandensein einzelner Räume jeder Loftcharakter dahin ist, räumt beispielsweise ein Loft auf, das derzeit im zweiten Wiener Gemeindebezirk zum Verkauf steht. In dem 1890 entstandenen Zubau zu einem einstigen Fabrikstrakt am Augarten finden sich auf zwei Etagen 320 Quadratmeter Wohnfläche samt sichtbaren Belüftungsrohren, die über eine offene Stiege mit Industrial-Charme miteinander verbunden sind. Was teilweise für doppelte Raumhöhen von bis zu sechs Metern sorgt, die derzeit unter anderem dafür genutzt werden, Turnringe für den Nachwuchs von der Decke baumeln zu lassen, und so reichlich Platz zum Schwingen nicht nur für Kinder bieten. Das offene Loftkonzept ist weitgehend erhalten geblieben. Modulare Systeme aus Schiebetüren, die bei Bedarf veränderbar sind, sowie große Glaswände sorgen dafür, dass es genügend Rückzugsraum für eine Familie mit Kindern gibt und/oder eine gemischte Nutzung als Wohnund Arbeitsort möglich wird. Insgesamt sechseinhalb Zimmer lassen sich so auf den beiden Etagen abtrennen oder auch nicht. Auf der oberen Etage gibt es außerdem eine gut 15 Quadratmeter große Dachterrasse und im Keller des Hauses mit denkmalgeschützter Fassade einen gemeinschaftlichen Weinkeller. Vermittelt wird die Wohnung über Rohr Real Estate, der Kaufpreis beträgt 2,05 Millionen Euro, ein Stapelparkplatz in der Tiefgarage kann um weitere 25.000 Euro dazu gekauft werden. Der gängigen Vorstellung, dass Lofts häufig in Hinterhöfen zu finden sind und damit in Sachen Aussicht und Weitblick eher nicht punkten, erteilt das Loft im einstigen Philips-Haus am Wienerberg eine Absage. Mehr Blick als hier geht nicht – und viel mehr Freilauf auch kaum. Denn nach den bisherigen Plänen – die aber noch verändert werden können –, verzichtet der komplette Wohn-, Kochund Essbereich vollständig auf Wände und verläuft entlang der gesamten Fensterfront des zwölften Stockwerks.
Auch der Schlafbereich ist nicht klassisch als abgetrennter Raum konzipiert, sondern bietet durch seine Lage „ums Eck“und eine offene Glaswandlösung die nötige Privatsphäre. Richtig abgetrennt mit einer Tür zum Schließen und echten Wänden sind dagegen die Bäder und Arbeitsräume, die geschickt in einem Kubus rund um das Stiegenhaus und den Eingangsbereich untergebracht