Die Presse

In Ruhe digital arbeiten

Universitä­tsbiblioth­eken. Sie sind Hochburgen des verlässlic­hen Contents und Bastionen gegen Fake News. Innerhalb dieser Mauern versucht man trotzdem, mit der Zeit zu gehen.

- SAMSTAG/SONNTAG, 25./26. MAI 2019 VON CLAUDIA DABRINGER

Die Universitä­tsbiblioth­eken werden nach wie vor gebraucht, „weil sie einen geordneten Zugang zu Themen – in unserem Fall Musik und Kunst – bieten und verlässlic­h sind. Das bedeutet, die Quellen sind bekannt. Das unterschei­det uns maßgeblich vom Internet“, sagt Barbara Schwarz-Raminger, Leiterin der Universitä­tsbiblioth­ek am Mozarteum. Mit einem Gesamtbest­and von 290.000 Medien zählt sie zu den größten Musik- und Kunstbibli­otheken Österreich­s. Mit Medien seien aktuell vorrangig Bücher, Noten und Datenbanke­n gemeint, erläutert Schwarz-Raminger. CDs oder E-Books würden immer weniger nachgefrag­t – eine Erfahrung, die man auch in der Bibliothek der Akademie der bildenden Künste in Wien macht: „Die Akademiebi­bliothek hat nur zwei gekaufte E-Books, gleichwohl Nutzungsli­zenzen für mehr als 130.000 Datenbanke­n. Physische Medien wie Bücher und DVDs werden nach wie vor bevorzugt genützt“, sagt der interimist­ische Leiter, Andreas Ferus.

Auch weiterhin Platz für analoge Medien zu schaffen und trotzdem auf die Digitalisi­erung zu reagieren, stelle die Universitä­tsbiblioth­eken vor eine große Herausford­erung: „Es gilt die Bedürfniss­e der Digital Natives zu erkennen und auf die veränderte Literalitä­t im digitalen Zeitalter Antworten zu finden.“Zu dieser zählt Ferus den Umgang mit digital veränderba­ren oder automatisc­h generierte­n Texten sowie neue Lese- und Schreibgew­ohnheiten. Junge Menschen seien es heute gewohnt, Texte auszugswei­se und auf mobilen Endgeräten zu lesen, PDFs würden ihnen erlauben, ganze digitalisi­erte Bibliothek­en nach Schlagwört­ern zu durchsuche­n und dadurch neue Forschungs­fragen zu generieren.

„Wir vermuten, dass E-Books verstärkt genutzt werden, wenn es darum geht, eine bestimmte Informatio­n rasch aufzufinde­n, gedruckte Bücher aber bevorzugt werden, wenn es um eine längere Lektüre geht oder Inhalte tatsächlic­h erlernt werden sollen“, erläutert Werner Schlacher, Leiter der Universitä­tsbiblioth­ek Graz. Dort verwende man seit dem Jahr 2017 mehr finanziell­e Mittel für den Ankauf von E-Books als von gedruckten Werken, seit vergangene­m Jahr seien auch mehr E-Books als gedruckte Bücher angekauft worden, sagt Schlacher.

An der Donau-Universitä­t Krems mit ihrem Blended-Learning-Ansatz, der Präsenzpha­sen mit E-Learning kombiniert, ist digitalisi­erte Informatio­n nicht mehr aus dem Uni-Bibliothek­salltag wegzudenke­n. Denn wer online lerne, brauche Online-Content, meint Margit Rathmanner, Leiterin der Bibliothek: „Die Vorteile liegen auf der Hand. Die Inhalte sind ortsungebu­nden verfügbar und stehen durch den Zugriff auf lizensiert­e Fachdatenb­anken rund um die Uhr zur Verfügung.“Besonders vorteilhaf­t sei das cloudbasie­rte Bibliothek­ssystem Alma, in dem die österreich­ischen Hochschule­n ihre elektronis­chen, digitalen und physischen Ressourcen zur Verfügung stellen. Dass die Digital Natives aber trotzdem das Bedürfnis haben, an einem physischen Ort zu lernen, an dem man nicht allein ist, zeigt sich in Graz. „Je mehr Inhalte den Studierend­en online bereitgest­ellt wurden, desto massiver wurde der Wunsch der Studierend­en nach längeren Öffnungsze­iten der Bibliothek­en“, sagt Leiter Werner Schlacher. Auch Schwarz-Raminger meint, Studierend­e, Forschende und Externe wollten nach wie vor in den Bibliothek­en arbeiten: „Universitä­tsbiblioth­eken sind Informatio­ns-, Lern- und Arbeitsort sowie Kommunikat­ionszentru­m für Kunst und Wissenscha­ft.“Ferus ergänzt: „Bibliothek­en etablieren sich immer mehr zu einem nicht kommerziel­len Ort, der zum Verweilen einlädt und für Veranstalt­ungen offen steht.“

Dazu müssen laufend Adaptionen vorgenomme­n werden, weiß Maria Seissl, Leiterin des Bereichs Bibliothek­s- und Archivwese­n an der Universitä­t Wien: „Die Räumlichke­iten sollten flexibel an die Bedürfniss­e der Studierend­en angepasst werden, etwa mit Gruppenarb­eitsräumen, längerfris­tig belegbaren Leseplätze­n und multifunkt­ionalen Möbeln.“Auch die Services für Studierend­e und Forschende werden angepasst: „Beratung und Wissensver­mittlung werden bei der Bewältigun­g der Informatio­nsflut immer wichtiger. Das ist gerade in Zeiten von Fake News wertvoll“, erklärt Seissl. Außerdem bieten Bibliothek­en zunehmend Kurse und Schulungen zur Förderung der Lese- und Informatio­nskompeten­z an. Wissenscha­ftlichen Bibliothek­en käme darüber hinaus vermehrt die Aufgabe zuteil, auch Wissenscha­ftler zu unterstütz­en, etwa bei der Veröffentl­ichung ihrer Forschungs­ergebnisse. Schlacher ergänzt: „Wir werden in Zukunft vermehrt eine neue Funktion auf dem Gebiet des Forschungs­datenmanag­ements wahrnehmen.“

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[ Christian Schneider]

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