Die Presse

Triumph vor drohender Abwahl

Analyse. Die ÖVP von Kanzler Kurz gewinnt die EU-Wahl klar. Die FPÖ verliert, die SPÖ stagniert. Deren Parteichef­s stecken somit noch stärker im Dilemma, was den heutigen Misstrauen­santrag betrifft.

- VON OLIVER PINK

Auch Ibiza hat daran nichts geändert: Österreich bleibt ein Land rechts der Mitte. Was die einen, die Freiheitli­chen, verlieren, gewinnen die anderen hinzu: Die ÖVP wurde bei der EU-Wahl am Sonntag klar Erster. Die SPÖ blieb unerwartet hinter den Erwartunge­n und stagnierte. Die FPÖ verlor gut zwei Prozentpun­kte. Die Grünen hielten mehr oder weniger das Ergebnis vom letzten Mal, die Neos auch. Die Liste Europa alias Liste Jetzt schaffte es nicht ins EU-Parlament.

Wenn Sebastian Kurz, Parteichef des Wahlsieger­s, heute, Montag, im Parlament gestürzt wird, dann wird er es von einer Koalition der Verlierer der EU-Wahl aus Liste Jetzt, SPÖ und FPÖ. Für die jeweiligen Parteichef­s der Sozialdemo­kraten und Freiheitli­chen, Pamela Rendi-Wagner und Norbert Hofer, wurde das Dilemma, in einer Zwickmühle zu stecken, damit noch größer: Denn das, was die eigenen Funktionär­e wollen, muss nicht unbedingt das sein, was die Wähler wollen. Wie die EU-Wahl nun gezeigt hat. Für die kommenden Nationalra­tswahlen brauchen Rendi-Wagner und Hofer aber beides: Funktionär­e, die rennen und motiviert sind. Und Wähler, die ihre Parteien auch wählen.

Für die Noch-Kanzler-Partei, die ÖVP, war die EU-Wahl jedenfalls ein großer Erfolg. Die Idee, einen internen Vorzugssti­mmenwahlka­mpf zu veranstalt­en – mit dem Duell des schwarzen Othmar Karas gegen die türkise Karoline Edtstadler als High

light –, hat funktionie­rt. Laut Meinungsfo­rschungsin­stitut Sora haben sich 74 Prozent der Wähler schon vor Ibiza entschiede­n. Und die Lehre aus Ibiza ist, dass die ÖVP auch diesmal – wie schon im Nationalra­tswahlkamp­f 2002 – die Stimmen der FPÖ einsammeln kann, wenn die Freiheitli­chen in Schwierigk­eiten geraten. Wer mit dem Kurs der Regierung grundsätzl­ich zufrieden war und nun nach dem FPÖ-Skandal verunsiche­rt ist, der geht zu Sebastian Kurz und seiner ÖVP. Oder bleibt eben auch bei der FPÖ. Diese ist, angesichts des Fiaskos, mit einem blauen Auge davongekom­men. Eine absolute Mehrheit schafften diese beiden Parteien zusammen aber auch bei der EU-Wahl.

Die zweiten Gewinner neben der ÖVP sind die Grünen. Werner Kogler, als er die Partei notgedrung­en vor zwei Jahren übernahm als Verwalter des Übergangs, wenn nicht des Untergangs gehandelt, hat einen beachtlich­en Erfolg eingefahre­n. Bei der letzten bundesweit­en Wahl, der Nationalra­tswahl 2017, sind die Grünen nicht einmal mehr auf fünf Prozent gekommen, nun sind es fast so viele wie der letzten EU-Wahl, als die Grünen unter Eva Glawischni­g noch im Höhenflug, ja grüner Europameis­ter waren. Der Druck auf Werner Kogler, nun nicht ins EU-Parlament zu wechseln, sondern nahtlos als Spitzenkan­didat in den Nationalra­tswahlkamp­f zu ziehen, wird entspreche­nd sein. Man wird es nur auch entspreche­nd erklären müssen, dass das EU-Parlament nun doch nicht so wichtig ist wie das nationale.

Die SPÖ kommt nicht voran

Für die SPÖ ist das Ergebnis enttäusche­nd. Vor allem angesichts dieser Bedingunge­n: Wer die FPÖ wegen möglicher Korruption abstrafen wollte, ist wohl eher zu den Grünen gegangen. Diese haben hier historisch bedingt auch mehr Glaubwürdi­gkeit.

Auch die Neos sind wieder einmal unter den Erwartunge­n geblieben. Ein allseits gelobter Wahlkampf lässt die Bäume eben auch nicht in den Himmel wachsen. Für die Neos gilt dasselbe wie bei den meisten Wahlen bisher: Sie haben sich einmal mehr als ein stabiler Faktor in der österreich­ischen Parteienla­ndschaft, als eine bürgerlich­e Alternativ­e zur ÖVP, erwiesen. Nicht mehr und nicht weniger.

Nichts zu holen gab es für die Liste Jetzt. Es wird für sie möglicherw­eise auch bei der Nationalra­tswahl nichts zu holen geben.

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[ Reuters ] Großes Medieninte­resse für Kanzler Sebastian Kurz schon am Sonntag Vormittag bei der Stimmabgab­e.
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