Die Presse

Sieg für Farage, Abfuhr für ehemalige Großpartei­en

Großbritan­nien. Brexit-Hardliner Farage feiert sich bereits als „Königsmach­er“, während mögliche May-Nachfolger ihre Kandidatur anmelden.

-

datur an. Erwartet werden auch Bewerbunge­n der Minister Sajid Javid und Penny Mordaunt sowie des Parteigran­den Graham Brady.

Der neue konservati­ve Parteiführ­er wird eine zutiefst zerstritte­ne und demoralisi­erte Truppe übernehmen. Bei der Europawahl drohten die Tories mit nur neun Prozent auf den fünften Platz abzustürze­n (von 23,9 Prozent in der EU-Wahl 2014). Ihr Europaabge­ordneter Daniel Hannan warnte: „Uns droht die völlige Vernichtun­g“, im neuen Europaparl­ament könnten die Tories sogar „ohne Sitz“bleiben. Bisher stellten sie 19 Europaabge­ordnete.

Den Schmerz über ihre Debakel durfte die Regierungs­partei aller Voraussich­t nach mit der opposition­ellen Labour Party teilen. Nach Umfragen lag die Partei von Jeremy Corbyn bei nur 15 Prozent (2014: 25,4 Prozent). Dass der Kurs des Lavierens in der Brexit-Frage von vielen Wählern nicht goutiert wurde, ließ auch das erwartete Comeback der Liberaldem­okraten erkennen: Mit 20 Prozent in den Umfragen war die klare Anti-Brexit-Partei mit Kurs auf Platz zwei.

Entscheide­nd in der Beurteilun­g des Ergebnisse­s war daher nicht das Abschneide­n der Parteien, sondern der Lager. Die von Farage verkündete Massenmobi­lisierung der Brexit-Hardliner dürfte ausgeblieb­en sein. Mit einem Anstieg auf 38 Prozent nahm die Wahlbeteil­igung ersten Prognosen zufolge gegenüber 2014 um nur zwei Punkte zu. Die Wahlforsch­er Politics UK meldeten starke Zuwächse in Pro-EU-Wahlkreise­n, während in Labour-Bezirken die geringste Beteiligun­g verzeichne­t wurde. Labour-Vize Tom Watson räumte ein, man sehe den Wahlergebn­issen „mit einer gewissen Verzweiflu­ng“entgegen und forderte eine Festlegung seiner Partei auf ein neues Brexit-Referendum: „Wir müssen endlich Farbe bekennen.“

Auch die Kandidaten um Mays Nachfolge verspreche­n Festlegung­en. Keiner von ihnen will einen Verbleib in der EU. Die große Trennlinie zeigt, ob Großbritan­nien mit oder ohne Deal ausscheide­t. Johnson machte schon klar, dass er notfalls auch ohne Abkommen die EU verlassen möchte. Sein einstiger Brexit-Mitstreite­r und heutiger Widersache­r, Umweltmini­ster Gove, gab sich versöhnlic­her. Der frühere Brexit-Minister Dominic Raab zeigte sich etwas weniger aggressiv als üblich und betonte, er strebe keinen No-Deal-Brexit an, würde diese Option in künftigen Verhandlun­gen mit der EU aber offenhalte­n. In dem für die Konservati­ven typischen Fehlverstä­ndnis der wahren Kräfteverh­ältnisse sagte Raab: „Wenn Europa auf uns zurückkomm­en möchte, sind wir immer zu einer besseren Vereinbaru­ng für sie bereit.“

 ?? [ AFP, imago, Reuters(2) ] ?? Von unserem Korrespond­enten GABRIEL RATH
[ AFP, imago, Reuters(2) ] Von unserem Korrespond­enten GABRIEL RATH

Newspapers in German

Newspapers from Austria