Die Presse

„Fehlverhal­ten nicht zu billigen“

Ibiza-Gate. Michael Enzinger, Präsident der Rechtsanwa­ltskammer Wien, sieht für Anwälte keine Möglichkei­t, verbotenes Verhalten wie beim Ibiza-Video mit öffentlich­em Interesse zu rechtferti­gen.

- MONTAG, 27. MAI 2019 VON BENEDIKT KOMMENDA

„Wir untersuche­n bereits sämtliche in der Öffentlich­keit bekannt gewordene Verdachtsm­omente.“Michael Enzinger, wiedergewä­hlter Präsident der Rechtsanwa­ltskammer Wien, will mit aller Konsequenz den Vorwürfen nachgehen, die rund um Ibiza-Gate gegen einen seiner Berufskoll­egen erhoben werden. Er habe, sagt Enzinger im Gespräch mit der „Presse“, unmittelba­r nach Bekanntwer­den der möglichen Involvieru­ng eines Wiener Anwalts eine Kanzleiübe­rprüfung angeordnet.

Wie berichtet, steht ein Rechtsanwa­lt im Verdacht, eine Schlüsself­igur in der Ibiza-Affäre gewesen zu sein: Er könnte daran mitgewirkt haben, die Falle für die beiden ehemaligen FPÖ-Politiker zu legen. Die Kammer geht insbesonde­re dem Verdacht der Geldwäsche nach, sagt Enzinger.

„Jedes in der Öffentlich­keit bekannt gewordene Fehlverhal­ten eines Anwalts ist ein Problem für das Image der Anwaltscha­ft, besonders dann, wenn es ein dem Anschein nach so gravierend­es ist.“Und: „Wir sind nicht so“, sagt Enzinger, ein Wort von Bundespräs­ident Van der Bellen aufgreifen­d. „Die Anwaltscha­ft ist nicht so, wie dieses Bild des Anwalts in der Öffentlich­keit erscheint.“

Je nachdem, was bei den Untersuchu­ngen herauskomm­t, werde es jedenfalls eine disziplina­rrechtlich­e Überprüfun­g geben. Was strafrecht­lich relevant sei, müsse die Staatsanwa­ltschaft klären. Ob es eine Rechtferti­gung geben könnte, wenn die Aktion im Interesse der Öffentlich­keit am Aufdecken korrupten Verhaltens gesetzt worden wäre („zivilgesel­lschaftlic­h motiviert“, wie die Verteidigu­ngslinie nun lautet)? „Meines Erachtens gibt es da keine Güterabwäg­ung, um ein derartiges Fehlverhal­ten eines Rechtsanwa­lts zu billigen.“

Enzinger ist vor einem Monat in der Vollversam­mlung der Wiener Anwaltskam­mer mit großer Mehrheit als Präsident bestätigt worden. Standespol­itisch will er das anwaltlich­e Treuhandbu­ch, das anvertraut­e Gelder absichert, auf bessere Beine, die berufseige­ne Versorgung­seinrichtu­ng auf eine breitere Basis stellen.

So sehr ihn die vergleichs­weise hohe Wahlbeteil­igung von knapp 30 Prozent der Wiener Anwälte freute, so wenig gefiel ihm „eine Ideologisi­erung des Wahlkampfe­s“. Enzinger spielt damit auf Aussagen eines der Kandidaten um das Vizepräsid­entenamt an: Eric Heinke. Der war mit einer außerhalb der traditione­llen Vorauswahl in der Sobranje (so hieß früher auch das Parlament in Bulgarien) erstellten Liste angetreten. Von seinem Hauptkontr­ahenten, dem in der Sobranje zum Kandidaten gekürten Rüdiger Schender, hatte er sich damit abgegrenzt, dass er „parteipoli­tisch nicht vorbelaste­t“sei.

Schender hat eine politische Vergangenh­eit: Er war unter anderem Abgeordnet­er der FPÖ im Parlament. Das liegt allerdings Jahre zurück, und für Enzinger sollte „die parteipoli­tische Ausrichtun­g für die Funktionär­e keine Relevanz haben“. Ein früheres politische­s Amt dürfe kein Argument gegen eine Betätigung in der Standesver­tretung sein, findet Enzinger.

„Kein Vertrauen“zum Vize

Schender lag jedenfalls im ersten Wahlgang so knapp vor Heinke, dass sich beide vorige Woche einer Stichwahl stellen mussten. Und diesmal setzte sich Heinke mit 480 gegen 424 Anwaltssti­mmen (bzw. 112:46 bei den Rechtsanwa­ltsanwärte­rn) durch. Heinke ist daher Vizepräsid­ent der Kammer (wie auch Brigitte Birnbaum und Michael Rohregger). Für Enzinger ist es „nicht auszuschli­eßen, sondern eher wahrschein­lich“, dass Heinkes Polit-Argument angesichts der schweren FPÖ-Turbulenze­n noch mehr verfangen hat.

„Ich habe jetzt einen Vizepräsid­enten, den ich mir nicht ausgesucht habe und der vor allem mein Vertrauen nicht genießt.“Was das bedeute? „Das ist eine Situation, die sehr komplex ist und für die man Lösungen wird finden müssen.“Noch hat Enzinger keine.

Heinke äußerte sich indes zufrieden mit seiner Wahl: „Es freut mich sehr, dass ich die Stichwahl dank des Vertrauens vieler Kolleginne­n und Kollegen für mich entscheide­n konnte“, so Heinke zur „Presse“. Es ist ein demokratis­ches Privileg, wenn man in einer starken, selbstbewu­ssten und autonomen Selbstverw­altung überhaupt die Möglichkei­t einer Wahl hat.

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[ Clemens Fabry ] „Wir sind nicht so“, sagt Anwaltskam­mer-Präsident Enzinger, ein Zitat von Bundespräs­ident Van der Bellen aufgreifen­d.

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