Selbst vor dem Setzen darf man die Haltestange nicht loslassen
Schadenersatz. Eine ältere Frau verletzte sich in einem öffentlichen Verkehrsmittel. Sie hatte die Haltestange auf der Platzsuche nur locker gehalten, als der Bus bremste. Dem Fahrer könne man keinen Vorwurf machen, urteilte der Oberste Gerichtshof. Die V
„Jeder Fahrgast hat sich im Fahrzeug dauernd festen Halt zu verschaffen. Schäden, die durch Außerachtlassen dieser Vorsichtsmaßnahme eintreten, hat der Fahrgast zu tragen.“So steht es in einer Verordnung des Verkehrsministeriums. Und diese Regel ist streng auszulegen, wie nun der Oberste Gerichtshof (OGH) entschied. Leidtragende ist eine ältere Frau, die die Haltestange nur locker angefasst hatte, weil sie gerade auf einen Sitzplatz zuging.
Der Fall spielt in einem Salzburger O-Bus, also einem Verkehrsmittel, das gewissermaßen ständig an der Stange hängt. Dass diese Regel auch für Fahrgäste gilt, war einer 75-jährigen Frau aber so nicht bekannt. Dabei hielt sich die ältere, aber rüstige Dame nach dem Einsteigen sogar an einer Stange an. Doch als sie einen freien Sitzplatz im vorderen Teil des Busses erspähte, lockerte die Frau ihren Haltegriff etwas, um sich dem Sessel zu nähern. Sie wollte gerade mit der anderen Hand an einer dem Sitzplatz näheren Stange Halt finden, als das Unglück geschah. Der Bus hatte die Haltestelle bereits verlassen, bremste nun aber plötzlich. Die Frau stürzte und verletzte sich. Und sie klagte Busfahrer plus Verkehrsbetriebe auf eine Stange Geld (mehr als 9000 Euro).
Bremsung war nötig
Die Gerichte sollten zu dem Schluss kommen, dass der Busfahrer bremsen musste. Denn es bestand wegen eines gefährlichen Überholmanövers zwischen zwei Autos Handlungsbedarf. Die verletzte Frau machte aber auch geltend, dass der Busfahrer nicht so rasch nach der Haltestelle hätte losfahren dürfen. Er hätte warten müssen, bis sie entweder im Stehen einen sicheren Halt habe oder sich gesetzt habe, meinte die Frau.
Bei Fahrzeugen besteht eine weitgehende Haftung. Der Halter muss unabhängig von seinem Verschulden zahlen. Keinen Schadenersatz gibt es aber, wenn der Unfall ein unabwendbares Ereignis war. Und als unabwendbar gilt ein Ereignis insbesondere dann, wenn ein Unglück auf das Verhalten des Opfers zurückzuführen ist.
Hätte sich die Frau fest genug an der Haltestange angehalten, wäre nichts passiert. Das wurde im Verfahren festgestellt. Dementsprechend wiesen das Bezirksgericht und das Landesgericht Salzburg die Klage der Verletzten ab.
Lenker müssen nicht warten
Der OGH (2 Ob 45/19k) betonte, dass Lenker von öffentlichen Verkehrsmitteln nicht darauf warten müssten, bis alle Fahrgäste die Plätze eingenommen haben. Sie dürfen schon vorher abfahren. Außerdem würden die im jetzigen Fall geltenden Beförderungsbedingungen und die Verordnung des Ministeriums zeigen, dass Fahrgäste aufpassen müssten. Jeder habe selbst dafür Sorge zu tragen, dass er genügend gesichert ist. Die verletzte Frau erhält also keinen Schadenersatz.
Wer in Öffis einen Platz sucht, sollte sich also mit festem Griff von Stange zu Stange hangeln. Oder auf die nächste Station warten.