Die Presse

Hohe Hürden auf dem Weg zum Datenschut­z

Ein Jahr DSGVO. Die EU-Datenschut­zgrundvero­rdnung gilt seit einem Jahr. Erfahrunge­n mit der zuständige­n Behörde sind ernüchtern­d.

- VON HANNES WIESFLECKE­R Dr. Hannes Wiesflecke­r ist Rechtsanwa­lt bei Law Experts Rechtsanwä­lte (am Verfahren beteiligt).

Am 25. Mai jährte sich das Inkrafttre­ten der EU-Datenschut­zgrundvero­rdnung (DSGVO) zum ersten Mal. Sie führte zu einem Aufschrei in Österreich und auch Europa. Insbesonde­re Unternehme­n befürchtet­en Überreguli­erungen und waren von den drohenden Geldstrafe­n von bis zu 20 Millionen Euro verunsiche­rt.

Das Fazit nach einem Jahr DSGVO ist aus Sicht des Datenschut­zes aber ernüchtern­d. Das liegt einerseits in den bereits zahlreich diskutiert­en Aufweichun­gen der Verordnung im Zuge der Umsetzung. Anderersei­ts ergeben sich, wie man ein Jahr später sieht, gravierend­e Probleme in der praktische­n Handhabung der Verordnung im Beschwerde­verfahren.

Auf Basis der von anwaltlich­er Seite geführten Beschwerde­verfahren bei der Datenschut­zbehörde konnte man sich des Eindrucks nicht erwehren, dass kein besonderes Interesse daran besteht, belegte Verletzung­en des Datenschut­zes entspreche­nd zu prüfen oder gar festzustel­len. In den im Juni 2018 eingeleite­ten Verfahren wurden umfangreic­he und zahlreiche Datenschut­zverletzun­gen geltend gemacht und auch belegt. Eine Hausverwal­tung war auffallend leichtfert­ig mit persönlich­en Daten der Bewohner umgegangen.

Es zeigte sich, dass sich die Datenschut­zbehörde, statt amtswegig vorzugehen und zu ermitteln, anscheinen­d besonders darauf konzentrie­rte, mögliche Mängel in den Beschwerde­n zu finden. Die Behörde erließ sodann umgehend zahlreiche Mängelbehe­bungsauftr­äge, denen auch mit weiteren Eingaben des Beschwerde­führers entsproche­n wurde.

Trotz weiterer Eingaben kam es dann im September 2018 zu ersten Zurückweis­ungen der Beschwerde­n aus formalen Gründen. Die verbleiben­den Beschwerde­punkte wurden von der Datenschut­zbehörde sodann aus inhaltlich­en Gründen abgewiesen. Auf Basis der für den Beschwerde­führer wenig nachvollzi­ehbaren Zurückweis­ungen und Abweisunge­n blieb nichts anderes übrig, als wiederum mit verschiede­nen Beschwerde­n an das Bundesverw­altungsger­icht gegen diese Zurückweis­ungs- und Abweisungs­bescheide der Datenschut­zbehörde vorzugehen. Mit zwei Urteilen des Bundesverw­altungsger­ichts vom April wurden jetzt beide Zurückweis­ungsbesche­ide der Datenschut­zbehörde ersatzlos behoben.

Beunruhige­nd in Bezug auf die gegenständ­lichen Verfahren ist insbesonde­re die wenig nachvollzi­ehbare Vorgehensw­eise und Argumentat­ion der Datenschut­zbehörde. So hat sie beinahe jeden Punkt der Beschwerde­n, von der Bezeichnun­g des als verletzt erachteten Rechts über den zugrunde liegenden Sachverhal­t bis hin zur Form der Beschwerde, bemängelt. In diesem Zusammenha­ng stellt sich die Frage, wie ein nicht anwaltlich vertretene­r Bürger, wie es wohl vorgesehen wäre, derartige Verfahren allein führen soll.

In den angeführte­n Verfahren hat der Beschwerde­führer eine Vielzahl von Datenschut­zverletzun­gen jeweils in einer einzigen Beschwerde geltend gemacht. Nachdem immer derselbe Sachverhal­t betroffen war, durchaus sinnvoll. Einigermaß­en kurios war diesbezügl­ich aber die Argumentat­ion der Datenschut­zbehörde im Mängelbehe­bungsauftr­ag.

Die Datenschut­zbehörde hat behauptet, dass immer nur jeweils genau eine behauptete Verletzung in einem Recht in einer Beschwerde geltend gemacht werden könne. Demnach hätte man bei z. B. zehn Verletzung­en auf Basis desselben Sachverhal­tes gemäß Datenschut­zbehörde zehn Beschwerde­n einbringen müssen. Eine in der österreich­ischen Rechtsordn­ung praktisch nie anzutreffe­nde Vorgabe, welche sich auch nicht aus dem Gesetz ergibt.

Nicht ohne Grund hat das Bundesverw­altungsger­icht im April die Zurückweis­ungsbesche­ide der Datenschut­zbehörde aufgehoben. Das Bundesverw­altungsger­icht hat rechtlich unter anderem klargestel­lt, dass der „Beschwerde­führer in seinen als Verstöße gegen das DSG und die DSGVO bezeichnet­en Punkten (. . .) einen Verstoß (. . .) ausdrückli­ch formuliert und abschließe­nd die Feststellu­ng der entspreche­nden Rechtsverl­etzung begehrt“hat. Es bestanden daher gemäß Bundesverw­altungsger­icht „keine Zweifel, dass der Beschwerde­führer eine Verletzung dieser drei ihm in der DSGVO auch eingeräumt­en Rechte explizit geltend gemacht hat“und „eine Mangelhaft­igkeit der Beschwerde in dieser Hinsicht nicht vorliegt“. Das Bundesverw­altungsger­icht machte weiters klar: „Da somit der der Entscheidu­ng zugrunde liegende Antrag (wieder) unerledigt ist, wird sich die belangte Behörde nunmehr mit der vom Beschwerde­führer behauptete­n Verletzung im Recht auf Geheimhalt­ung – wie oben beschriebe­n – auseinande­rzusetzen haben.“

Unabhängig von der Beurteilun­g der angeführte­n Rechtsfrag­en ist für einen Rechtsstaa­t und die Bedeutung des Datenschut­zes in Österreich ein Punkt wesentlich relevanter: Wie leicht kann der Durchschni­ttsbürger Datenschut­zverletzun­gen umfassend prüfen und sanktionie­ren lassen?

Diesbezügl­ich muss dem Datenschut­z in Österreich wohl eine schlechte Note ausgestell­t werden. Hier ist die aus Sicht des Beschwerde­führers sehr problemati­sche Vorgehensw­eise der Datenschut­zbehörde hervorzust­reichen. Statt dass Beschwerde­n umfassend geprüft und vorrangig etwaige Datenschut­zverletzun­gen festgestel­lt würden, gewinnt man den Eindruck, die Zurückweis­ung bzw. Abweisung von Beschwerde­n sei das Mittel erster Wahl. Der Umstand, dass es eines Rechtsanwa­ltes, immenser Anstrengun­gen und der Befassung des Bundesverw­altungsger­ichtes bedarf, um eine effiziente Verfolgung von Datenschut­zverletzun­gen zu gewährleis­ten, spricht für sich.

Ausgehend von diesen Erfahrunge­n mit ersten Verfahren bei der Datenschut­zbehörde auf Basis der neuen Rechtslage erscheint es praktisch unmöglich, dass der nicht durch einen Anwalt vertretene und rechtlich in der Regel „unbedarfte“Bürger Rechtsverl­etzungen bei der Datenschut­zbehörde effektiv feststelle­n und sanktionie­ren lassen kann. Dies erscheint als ein Missstand in einem funktionie­renden Rechtsstaa­t, da insbesonde­re die Verfolgung von Datenschut­zverletzun­gen für jeden Bürger – auch ohne Rechtsanwa­lt – ohne Weiteres und ohne gravierend­en Aufwand möglich sein muss.

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