„Gold ist das perfekte Sparschwein“
Geldpolitik. Die internationalen Notenbanken kaufen so viel Gold wie seit Jahrzehnten nicht. Anlass ist Donald Trump. Er untergräbt das Vertrauen in die USA als Partner. Aber diese Entwicklung hat schon 1971 mit Richard Nixon begonnen.
Was Gold bedeutet, lässt sich bei der Zentralbank der Niederlande nachlesen: „Gold ist das perfekte Sparschwein – es ist der Vertrauensanker für das Finanzsystem. Fällt das System zusammen, kann der Goldbestand als Grundlage für den Wiederaufbau dienen.“Deutlicher kann man es nicht sagen. Und die Notenbanken sehen das weltweit so. Sie haben zuletzt so viel Gold gekauft wie seit 50 Jahren nicht. Rund 650 Tonnen haben sie im vergangenen Jahr dem Markt entzogen. Heuer sollen es wieder um die 600 werden, schätzt das World Gold Council. Seit Anfang 2017 haben 16 Länder zugegriffen.
Allen voran Russland und China. Nur sieben Staaten haben mehr als 1000 Tonnen. Wenn man die Eurozone als ein Land zählt, sind es überhaupt nur fünf Staaten. Euroland führt mit rund 11.000 Tonnen Gold. Die USA belegen mit 8133 Tonnen Platz zwei. Dann folgen schon Russland (2170) und China (1885). Aber das sind nur Zahlen. Die Frage ist: Wozu kaufen die Notenbanken so viel Gold? Und warum jetzt? Es geht um den Dollar. Um seine Stellung als Weltreservewährung. Um die Provokationen von Donald Trump.
Hier kommt das Jahr 1971 ins Spiel. Martin Selmayr hat es zuletzt selbst erwähnt. Der Mann ist nicht irgendjemand, sondern der Generalsekretär der EU-Kommission und einer der mächtigsten Deutschen in Brüssel. Auf Twitter teilte er am 10. Juni 2018 jene Ansprache des US-Präsidenten Richard Nixon, in der dieser im August 1971 die „vorübergehende“Aufhebung der Golddeckung des Dollar ankündigte. Die Ansprache und ihre Folgen sollten als „Nixon-Schock“in die Geschichte eingehen. Zum ersten Mal seit dem Ende des Zweiten Weltkriegs zweifelten die Vertreter Europas, Asiens und des Nahen Ostens damals an der Vertrauenswürdigkeit des Dollar.
Denn bis zu Nixons Fernsehrede konnten ausländische Notenbanken ihre Dollarreserven in Gold tauschen. Zum schönen Preis von 42,22 Dollar pro Unze. So lief das System nach dem Zweiten Weltkrieg. Das war das sogenannte Bretton-Woods-System. Und nun war es mit einem Schlag vorbei.
Und jene rund 8000 Tonnen, die Amerika heute noch hat, liegen seitdem einfach nur herum, in den Kellern von Fort Knox und der Fed in New York. Fünf Jahrzehnte später rief Martin Selmayr alles in Erinnerung: „Im August 1971 kündigte Präsident Nixon einseitig die Teilnahme am Bretton-WoodsSystem. Europa musste reagieren und begann mit der Arbeit an einer Währungsunion, was zum Euro geführt hat. Europa muss sein Schicksal in die Hand nehmen.“
Die aggressive Handels- und Außenpolitik Donald Trumps hat nicht nur das Vertrauen der Europäer erschüttert. Die anderen großen Machtblöcke, Russland und China, bekommen sie ja noch viel stärker zu spüren. Russland ist seit Jahren selbst mit Sanktionen belegt. China wird vom Weißen Haus mit einem Handelskrieg provoziert. Da ist es kaum verwunderlich, dass weder Moskau noch Peking große Begeisterung dafür haben, den Dollar weiterhin als Weltleitwährung zu akzeptieren. Erst recht, da er direkt als Waffe gegen sie eingesetzt werden kann.
Längst schließen beide Staaten, wo sie können, bilaterale Verträge mit anderen Ländern ab, um Rubel, Yuan oder andere Landeswährungen zu nutzen. Peking und Moskau sind sich auch einig bei der Unterstützung des Euro. Und natürlich kaufen sie Gold. Viel Gold. Russland ist ganz offen in seiner Strategie: Die Dollarreserven wurden in den vergangenen Jahren massiv reduziert und durch Euro, Yuan und Gold ersetzt. „Wir verabschieden uns nicht vom Dollar, der Dollar verabschiedet sich von uns“, sagte Russlands Präsident, Wladimir Putin, Ende November 2018: „Die Destabilisierung des Dollarzahlungsverkehrs erzeugt bei vielen Volkswirtschaften den Wunsch, alternative Reservewährungen zu finden und Zahlungssysteme zu schaffen, die unabhängig vom Dollar funktionieren. Wir sind nicht die Einzigen, das können Sie mir glauben.“
Über Gold selbst verlieren die Staatsmänner kein Wort. Sie lassen es einfach kaufen. Russlands Zentralbank legt jeden Monat mehr in den Tresor. Zur „Diversifizierung“, wie es heißt. China hat überhaupt erst vor rund einem Jahr damit angefangen, die eigenen Goldbestände auch offiziell zu melden. Andere Länder, die zuletzt zugekauft haben, sind die Türkei, die Mongolei, Indien, Kolumbien und Katar.
Auch in Europa wurde wieder gekauft – aber nicht von Ländern der Eurozone. Mit Polen und Ungarn haben zum ersten Mal seit der Jahrtausendwende auch EUStaaten Gold gekauft. Budapest hat seine Bestände auf einen Schlag verzehnfacht – auf 31 Tonnen. Zum Vergleich: Österreich hält 280 Tonnen.