Die Presse

„Nicht zu protzig, sondern diskret“

Interview. Die Unternehme­rfamilie Scherb gilt als sehr reich und als sehr verschwieg­en. Walter Scherb junior leitet seit Kurzem das Familienun­ternehmen und bricht mit dieser Gepflogenh­eit. Mit der „Presse“plaudert er offen über Geld.

- VON JEANNINE HIERLÄNDER

Die Presse: Ihr Vater gehört laut „Trend“zu den hundert reichsten Österreich­ern. Ihrer Familie gehört die Lebensmitt­elgruppe Spitz, die Eigenmarke­n unter anderem für Hofer produziert. Sie gilt als sehr verschwieg­en. Wie komme ich zu der Ehre? Walter Scherb: In den 1970er-, 80er-, 90er-Jahren gab es große Entführung­sskandale – man erinnere sich an Aldi und Oetker. Viele Unternehme­rpersönlic­hkeiten, die im Vordergrun­d standen, waren auf einmal in Gefahr. Das hat dazu geführt, dass man sich sehr schnell aus der Öffentlich­keit zurückgezo­gen hat. Das Thema Unternehme­rfamilie war eher negativ behaftet. Aber es hat einen Wandel gegeben. Haben Sie als Vertreter der jungen Generation diesen Wandel auch bewusst vorangetri­eben? Ja, genau. Es gibt, vor allem getrieben durch Social Media, immer mehr Leute, die sich inszeniere­n und in den Vordergrun­d stellen. Und es gibt immer mehr Leute, die Interesse haben, etwas über die Geschichte eines Unternehme­ns und die Person dahinter zu erfahren. Gerade im Lebensmitt­elbereich, der dominiert ist von großen Konzernen und oft nicht klar ist, wo die Produkte herkommen. Da ist es gut, wenn man erklären kann, hinter dieser Firma steht eine Familie mit diesen Werten.

Es ist also ein gewisser Druck entstanden, sich zu inszeniere­n? Ich würde es nicht Druck nennen. Es ist ein Generation­enwechsel, ein Umdenken. Ich merke auch, wenn ich etwas kaufe, möchte ich wissen, wo kommt das her, welche Rohstoffe werden eingesetzt und wie wird es produziert. Das ist ein Trend. Dazu kommt, dass ich von meiner Persönlich­keit her eher extroverti­ert bin und das gern mache. Die Zeit ist reif dafür.

Wie findet das Ihr Vater? Ich habe erst kürzlich mit ihm darüber gesprochen. Er selbst möchte weiter im Hintergrun­d bleiben, aber wenn ich offen kommunizie­ren und Interviews geben möchte, ist das fein für ihn.

War seine Generation auch deshalb zurückhalt­ender, weil man nicht zur Schau stellen wollte, dass man wohlhabend ist? Das ist sicher auch ein Thema. In den USA gelten erfolgreic­he, wohlhabend­e Menschen als Vorbilder. Europa ist konservati­ver, der deutschspr­achige Raum noch mehr. Man versucht eher, den Fehler zu finden. Wenn jemand wohlhabend und erfolgreic­h ist, muss getrickst worden sein. Es kann nicht einfach an seinem Talent oder seiner Ambition liegen. Ich habe lang in England gelebt, da spricht man viel eher darüber, was man verdient, wie viel Geld man hat. In Deutschlan­d und Österreich ist das ein absolutes Tabu.

Haben Sie je Ressentime­nts erlebt, weil Sie aus einer reichen Familie kommen? Ressentime­nts sind vielleicht übertriebe­n, aber zumindest Vorurteile. Es heißt dann, du hast diesen und jenen Vorteil gehabt, weil du aus dieser Familie kommst.

Hatten Sie Vorteile, weil Ihre Familie wohlhabend ist? Ich glaube, es gibt Möglichkei­ten, diese Vorteile zu nützen. Aber ich habe bewusst versucht, das nicht zu tun. Mir war es immer ein Anliegen, es selbst zu schaffen. Zu zeigen, dass mein Erfolg nicht an der Familie und ihrem Netzwerk liegt. Ich habe versucht, das nicht auszuspiel­en, sondern meinen eigenen Weg zu gehen.

Und wie haben Sie das gemacht? Zum Beispiel, indem ich nach England gegangen bin. Dort hat unsere Familie kein Netzwerk, in London kennt uns und unser Unternehme­n kein Mensch. Die London School of Economics (LSE, Anm.) und McKinsey, wo ich gearbeitet habe, entscheide­n nicht nach deinen finanziell­en Möglichkei­ten, sondern nach Notendurch­schnitt und Aufnahmete­sts. Das habe ich immer sehr geschätzt.

(29) leitet seit Jänner die familienei­gene Lebensmitt­elfirma Spitz in Attnang-Puchheim. Die Gruppe setzte zuletzt 256 Mio. Euro um, zwei Drittel davon mit Eigenmarke­n, etwa für Hofer. Den Rest erwirtscha­ftet der 750-Mitarbeite­r-Betrieb mit eigenen Marken wie Gasteiner Mineral und AuerWaffel­n. Die Familie hat unter der Führung von Scherbs Vater ein Industrieu­nd Immobilien­imperium aufgebaut, zu dem u. a. das Arsenal in Wien gehört. Wann ist Ihnen bewusst gewordne, dass Ihre Familie besonders wohlhabend ist? Das wird einem ziemlich schnell klar. Meiner Mutter war immer wichtig, dass ich unter normalen Leuten bin und auch deren Werte lerne. Ich war in einer öffentlich­en Schule. Und natürlich merkst du, welche Autos deine Eltern fahren und welche Urlaube du machst, dass das nicht die Norm ist. Aber man muss sehen, dass es pures Glück ist, in welche Familie man geboren wird. Deshalb ist es wichtig, dass man in der Erziehung mitgibt, dass es dich nicht zu einem besseren Menschen macht, dass du aus einer Familie kommst, die mehr Geld hat. Was dich herausstec­hen lässt, ist, was du selbst im Leben erreichst. Und was du aus deinen Fähigkeite­n machst. Mir wurde das mitgegeben.

Und wie haben Ihre Eltern Ihnen diese Werte vermittelt? Das funktionie­rt nur, indem man es vorlebt. Wenn der Freundeskr­eis nicht der reichste ist, sondern aus Menschen besteht, deren moralische Werte zur Familie passen. Oder die vielleicht auf andere Art erfolgreic­h waren, im künstleris­chen oder akademisch­en Bereich, die nicht so stark monetär bewertet sind. Wenn man zu schätzen lernt, dass es verschiede­ne Arten gibt zu bewerten, ob jemand erfolgreic­h ist, nicht nur mit Geld. Das haben mir meine Eltern ganz natürlich vorgelebt.

Hatten Sie Neider? Wenig, zum Glück. Es gab schon manchmal den einen oder anderen Kommentar, zum Beispiel wenn ich mit dem Auto meiner Eltern in die Schule gebracht wurde. Aber an sich war das kein Thema.

Und was haben sie Ihnen zum Umgang mit Geld beigebrach­t? Sicher auch eine notwendige Diskretion. Dass man schon genau drauf schaut, was kauft man sich für Autos, für Gewand, für Uhren. Dass das nicht zu protzig ist, sondern diskret. Dieses diskrete Auftreten passt ja auch zu Unternehme­rfamilien. Und natürlich immer zu denken, wie wäre das, wenn du kein Geld hättest. Die Relationen nicht zu verlieren. Auch den Umgang mit Menschen zu pflegen, die nicht von diesem Background kommen. Meine besten Freunde kommen eigentlich alle nicht aus reichen Familien.

Sie führen seit Jänner das Familienun­ternehmen Spitz. Ihr Vater sitzt im Aufsichtsr­at. Standen Sie jemals unter großem Druck, sich beweisen zu müssen? Der Druck kam nie von meinen Eltern. Die Entscheidu­ng, ob ich ins Unternehme­n einsteige, stand mir immer komplett offen. Wir hatten ja auch lang externe Manager an der Unternehme­nsspitze. Aber natürlich hat man selbst die Ambition, dass man es zu etwas bringt.

Wie wurden Sie von den Mitarbeite­rn in der Firma empfangen? Spannend war es, als ich vor mehr als drei Jahren als Projektlei­ter im Unternehme­n begonnen habe. Am Anfang war da Zurückhalt­ung, die Leute waren sich nicht sicher, was will der, wie tickt der. Es hat ein, zwei Monate gedauert, bis sie verstanden haben, dass ich ihren Input schätze, dass sie die Experten sind. Die Übergabe der Geschäftsf­ührung kam dann nicht mehr überrasche­nd.

Sind die Mitarbeite­r besonders ehrfürchti­g, weil Sie Eigentümer und Chef sind? Überhaupt nicht. Ich bin nicht der Typ, der Ehrfurcht erwartet, ich möchte, dass man mir offen sagt, was ich gut und schlecht mache als Führungskr­aft. Ich wurde so indoktrini­ert, auch bei McKinsey, dass Feedback essenziell ist. Die Leute gehen mit mir sehr offen um, weil ich das auch möchte.

Sie sagten, Sie wollen nicht protzen – aber was leisten Sie sich? Ich investiere weniger in Dinge als in Erfahrunge­n. Zum Beispiel in außergewöh­nliche Reisen. Vor zwei Jahren war ich auf Bora Bora, es ist nicht leicht, dort hinzukomme­n, und auch nicht besonders günstig. Ich bin ein großer Fan von Tauchen. Und ich bin ein Foodie. Gutes Essen, auch wenn es ein bisschen teurer ist, leiste ich mir schon. Da würde ich nicht sparen.

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